Trügerische Erinnerungen …

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herbstrose Avatar

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Der Literaturagent Peter Katz bekommt das Manuskript eines Romans zugeschickt, von dem er sofort begeistert ist. Verfasser ist ein gewisser Richard Flynn. Er berichtet über den nie aufgeklärten Mord an einem Professor für Psychologie aus dem Jahre 1987 in Princeton und verspricht neue Enthüllungen. Doch das Manuskript endet an einer entscheidenden Stelle. Als Katz sich mit Flynn in Verbindung setzen will erfährt er, dass dieser in der Zwischenzeit verstorben ist. So beauftragt er den befreundeten Reporter John Keller damit, den Rest des Manuskripts zu finden oder einen passenden Schluss zu erfinden. Keller gelingt es einige Zeitzeugen zu befragen, von denen alle ein Puzzlestück zur Lösung des Falles beitragen könnten. Doch dabei stößt er auf ein Gewirr von Widersprüchen und Ungereimtheiten, denn jeder der Beteiligten hat nach beinahe dreißig Jahren eine andere Erinnerung. So setzt er sich mit Roy Freeman, einem pensionierten Polizisten, der in dem damaligen Mordfall ermittelte, in Verbindung. Diesem gelingt es offenbar, Licht ins Dunkel zu bringen. Doch ist das wirklich die Wahrheit? Kann man den Erinnerungen trauen? …

„Das Buch der Spiegel“ ist sowohl der Arbeitstitel des Romanmanuskripts in der Geschichte, als auch der Titel des Kriminalromans des rumänischen Schriftstellers E.O. Chirovici. Das Buch wurde bereits in über 30 Länder verkauft und vom britischen „The Guardian“ gar als ‚Sensation‘ bezeichnet. Vom Verlag und auf dem Cover als Roman charakterisiert, würde ich es doch eher unter der Bezeichnung „Kriminalroman“ einordnen. Obwohl sehr viel auf das trügerische menschliche Erinnerungsvermögen, auf Einbildungskraft und Unterbewusstsein, eingegangen wird, überwiegt m.E. doch das kriminalistische, denn der Leser brennt naturgemäß darauf zu erfahren, wer seinerzeit den allseits beliebten Professor ermordet hat und was die Gründe für die Tat waren.

Vier Ich-Erzähler schildern in chronologischer Reihenfolge den Fall jeweils aus ihrer Sicht. Daraus entwickelt sich zu Beginn eine gewisse Spannung und die Frage, wie sich das alles am Ende wohl zusammen fügen wird. Viele Wendungen und immer wieder neue Erkenntnisse kommen in Umlauf, so dass sich die Sichtweise des Lesers ständig ändert. Rückblicke und aktuelle Ereignisse wechseln rasch, familiäre Probleme der Protagonisten verknüpfen sich mit dem Geschehen, neue Personen und belanglose Nebenschauplätze tauchen plötzlich auf, so dass man schon mal den Überblick verlieren kann.
Der Schreibstil ist sachlich und eher nüchtern, die Erzählweise den berichtenden Personen angepasst, insgesamt jedoch flüssig und schnell lesbar. Die Spannung ist zu Beginn sehr hoch, fällt aber bald rapide ab. Bedingt durch die unterschiedlichen Erzähler ergeben sich zwar neue Sichtweisen, jedoch bleibt die Geschichte immer dieselbe mit einigen Abwandlungen. Die Charaktere und ihr Umfeld sind sehr ausführlich und sehr detailgetreu beschrieben, so dass man sich während des Lesens ständig fragen muss, was wohl für die Geschichte relevant ist und was man getrost vergessen kann. Das Ende ist schlüssig und passend, wenn auch einige Fakten ungeklärt bleiben.

Fazit: Ein Roman mit kriminalistischem Hintergrund, der geschickt mit den Tiefen der Psyche, dem menschlichen Erinnerungsvermögen, Einbildungskraft und trügerischem Unterbewusstsein, spielt.