Das ganz große Gefühlskarussell

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justm. Avatar

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Scarlett und Evie sind seit Kindheitstagen miteinander befreundet. Dabei könnten sie kaum unterschiedlicher sein: Scarlett, mit ihrem Hang zur Selbstdarstellung, ist extrovertiert und hofft im Mode-Business Fuß zu fassen. Evie wiederum ist eher schüchtern, liebt die Musik, und muß selbst die aufgeben, als sie die Diagnose MS erhält. Und dennoch halten die Beiden zusammen wie Pech und Schwefel. Bis eines Tages ein Unglück passiert.

Denn „Das Chaos eines Augenblicks“ hadert nicht lange und macht von Anfang an klar, daß Scarlett dieses Buch, im Grunde nicht mal das erste Kapitel, überleben wird. Und gleichzeitig hat sich Autorin Becky Hunter im Gegensatz zu den Millionen „meet-cutes“, die die Buch- und Filmwelt hervorgebracht hat, eines der schlimmsten „meet-horribles“ – einen fürchterlichen Weg für zwei Menschen sich kennenzulernen – ersonnen, als Evie auf Nate trifft. Den Mann, der bei Scarletts Tod anwesend war.

Als wäre das nicht schon besonders genug, läßt Hunter Scarlett selbst als Tote noch zu Wort kommen. Als eine Art Geist oder vielleicht nur spirituelles Bewußtsein, kommentiert sie, immer wieder, in ganzen Kapiteln, das Leben von Evie und Anderen, die sie überlebt haben. Und das funktionierte – für mich – erstaunlich gut.

Ganz allgemein ist „Das Chaos eines Augenblicks“ eine der besten Geschichten, die ich in letzter Zeit gelesen habe. Das mag zum Einen daran gelegen haben, daß ich Geschichten über Freundschaft liebe. Und die Freundschaft zwischen den beiden Frauen ist hier einer der großen Dreh- und Angelpunkte. Zeigt sich doch im Laufe des Buches, auch anhand von als Erinnerungen verkleideter Rückblenden, wie wichtig die Beiden schon immer für einander waren.
Dazu kommt die Liebesgeschichte zwischen Evie und Nate, die besonderer kaum sein könnte. Nicht nur wegen des speziellen Kennenlernens, sondern auch weil Beide so ihr eigenes Päckchen mit sich herumtragen. Und die Beschäftigung mit diesen Päckchen, die Darstellung vom Leben mit einer Krankheit wie MS, aber auch z.B. das (Über)leben mit Schuldgefühlen, gelingt ebenso realistisch, wie sensibel.

Es sind ganz viele kleine und größere Punkte, die hier für mich zusammenkamen und dieses Buch so besonders machten. Und ja, ich gebe zu, daß ich nahe am Wasser gebaut bin, dennoch kann ich mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so viel während des Lesens geweint habe. So besonders (und traurig, und dennoch schön) fand ich alles.

Nur was das Ende angeht bin ich zwiegespalten und weiß noch immer nicht, ob ich es liebe oder irgendwie doch fürchterlich finden soll. Vermutlich ist es eine Mischung aus Beidem.
Aber hier sollten sich geneigte Leser*innen selbst ein Bild machen, denn ganz unabhängig vom Ende, ist dieses Buch das Lesen allemal wert.