Ein wunderschönes und düsteres Märchen-Retelling!

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
wauwuschel Avatar

Von

Hazel ist das dreizehnte Kind einer Familie und wurde als solches dem Tod versprochen. Dieser nimmt sie irgendwann auf und verleiht ihr die Gabe des Heilens. Doch damit gehen auch Risiken mit einher und als sie den König heilen muss, steht sie vor der größten Prüfung ihres Lebens.

"Ich schluckte verängstigt. "Merrick ... wie viele Kerzen habe ich?" " -Hazel

Dieses Buch ist perfekt für die herbstliche Jahreszeit und die Atmosphäre draußen, vor allem im Oktober, hat mit der im Buch gut übereingestimmt. Wir haben hier ein wunderschönes Retelling des Märchens "Gevatter Tod" der Gebrüder Grimm und ich muss gestehen, dass einfach alles gepasst hat. Das Setting, der Schreibstil, die Story, die Charaktere, die Stimmung, die Gefühle und die Buchentwicklung. Selbst wenn man lange suchen würde, findet man nichts, was schlecht heraussticht und auch wenn das Buch stellenweise gestreckt erscheint, passt es perfekt zur Geschichte.

Das einzige, was ich leider kritisieren muss, ist die Schriftart, die unglücklich gewählt wurde, und die Buchklappen ohne den Umschlag, bei denen die Farbe durchs Festhalten beim Lesen abblättert. Ansonsten werden im Folgenden nur Gründe aufgezählt, wegen denen man das Buch in die Hand nehmen muss und anfangen sollte, diesen Fantasy-Einzelband durchzulesen.

Beginnen wir mit der Welt, die nach und nach Form annimmt. Es entsteht eine bildliche, düstere und märchenhafte Geschichte, die in sich abgeschlossen ist. Dabei haben wir verschiedene Gottheiten und die Menschen, sowie eine mittelalterliche Welt. Tatsächlich hat Religion eine große Bedeutung in dem Reich und es ist spannend, wie sie auf- und eingebaut wird. Dabei ist es realistisch, dass die Priester viel Sprachrecht auf dem königlichen Hof haben und der Glaube tief verwurzelt ist. Besonders gut fand ich aber, dass die Götter auch in Erscheinung treten und das Geschehen damit unvorhersehbar ist. Nicht zuletzt unser Herr Tod persönlich.

In dem Roman verfolgen wir Hazel vom Kleinkind auf bis zur jungen Frau und anschließend sogar noch weiter. Dieser Zeitverlauf hat sich auch gut angeboten, weil wir ihre Entwicklung so gut miterleben konnten und wichtige Ereignisse zur richtigen Zeit Sinn ergeben. Sie ist ein normales Mädchen, das durch ihre Aufgabe und ihr Talent eine besondere Stellung bekommen hat. Dabei versucht sie, ihre Probleme so gut es geht zu meistern, doch stößt immer wieder gegen die Götter und deren Denkweisen. Hazel ist nur ein Mensch und ihre Sehnsucht, das Richtige zu tun, so viele Menschen wie möglich zu retten und einfach Liebe, sei es von Freunden, ihrer Familie oder ihrem Ziehvater, zu bekommen, ist spürbar.

Auch die Nebencharaktere entstehen nach und nach vor unseren Augen und es ist faszinierend, was für eine Welt dabei geschaffen wurde. Wir haben Freundlichkeit, Verrat, Treue und königliche Macht und die einzelnen Figuren, wie der König, Merrick, der Prinz, Hazels Geschwister oder die Gottesanhänger, sind praktisch die Geschichte und machen sie spannend. Merrick ist dabei die interessanteste und facettenreichste Person, die man manchmal mag und an anderen Tagen hasst. Seine Beziehung zu Hazel ist auch eine Hass-Liebe, das bedeutet, einerseits mag ich ihn für das Leben, was er Hazel geschenkt hat, andererseits verachtet man ihn für die wenige Zeit, die er wirklich als Vater bei ihr war. Schwierige Situation, aber genau deswegen liest man das Buch, denn Friede und Freude wären unnatürlich.

Ich mag Hazel, selbst zu der Zeit, als sie noch ein junges Kind war, und ihre Entwicklung ist hierbei besonders gut gelungen. Eine klitzekleine Liebesgeschichte gibt es auch, ich befürworte es auch, weil ich insbesondere das Ende schön fand, aber sie nimmt kaum Raum ein und wird nur am Rande erwähnt. Zwar wirkt die Liebe dadurch gehetzt und alles geht viel zu schnell von Abstand-Halten zu Ich-würde-alles-für-sie/ihn-tun, aber sie sind süß zusammen. Für Fantasy-Liebhaber, die eine moralische Geschichte ohne viel Liebeskram suchen, ist dieser Roman perfekt.

Zum Schluss noch ein wenig zur Story ohne zu viel zu spoilern. Wie man oben merkt, haben die Charaktere und das Setting einen hohen Stellenwert in dem Buch, aber auch die Geschichte steht dem in nichts nach. Es ist interessant, wie Hazel aufwächst und sich medizinisches Fachwissen aneignet und später die Menschen heilt, auch ohne ihre Gabe die ganze Zeit anzuwenden. Als sie dann an den Hof kommt und den König heilen muss, der eigentlich schon dem Tod versprochen ist, steht sie vor einem großen moralischen Dilemma und ihre Lösung mit den Folgen danach war herausragend inszeniert.

Intrigen am Hof sind genauso vorhanden wie ein Krieg und große Pandemien. Somit bleibt es fesselnd und mit dem übernatürlichen kann man nicht vorhersagen, wie es weitergeht und wer überlebt. Geht man gegen das Wort der Götter oder glaub man ihnen restlos? Ist jedes Leben gleich viel wert? Inwieweit spielt der Tod eine Rolle in dem ganzen, im Vergleich zu der Ersten und den Vielen? Kann so eine große Bürde einer jungen Frau auferlegt werden? Fragen über Fragen und am Ende ganz viele Anwendungen mit dem Hauch von Dunkelheit und Hoffnung.

Insgesamt kann ich den Einzelband auf jeden Fall weiterempfehlen. Es war kein Highlight, aber ein solides 5-Sterne Buch!