Farbenprächtiges Historienspektakel

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marionhh Avatar

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Europa im 15. Jahrhundert: Vladislav Draco verbringt lange Jahre am Hofe Sigismunds, während sein Vater Mircea über die Walachei herrscht. Nach dessen Tod reißen verschiedene Männer die Macht an sich, bis schließlich im Jahr 1431 Wladislaws Halbbruder Aldea, der eigentlich Vlas Ankunft vorbereiten sollte, auf den Thron kommt. Nun versucht Vlas alles, um seinen Thronanspruch geltend zu machen und als Fürst eingesetzt zu werden. Dies gelingt ihm fünf Jahre später, als Valdea stirbt. Fortan wird Vlas in diverse Kämpfe, Kriege und Intrigen verstrickt und muss sich sogar mit dem Erzfeind, den Osmanen verbünden, um seine Macht zu erhalten, er bleibt aber Christ. Immer wieder jedoch fällt er dem osmanischen Herrscher Murad in den Rücken, was dem nicht verborgen bleibt und er daher Vlas‘ Söhne Vlad und Radu als Geiseln gefangen hält. Besonders sein ehemaliger Waffenbruder, der Ungar Janos Hunyadi, wird zu Vlas‘ erbittertstem Gegner. Während Janos stetig aufsteigt und seine Macht ausbaut, geraten Vlas und seine Familie mehr und mehr unter Druck…

Atmosphärisch dichtes, lebendiges und farbenprächtiges Historienspektakel auf höchstem Niveau! Obwohl sehr anspruchsvoll geschrieben, gelingt es der Autorin dennoch, die komplexen Zusammenhänge und politischen Verstrickungen klar und verständlich darzustellen. Es ist allerdings keine leichte Kost, und da der Leser mit voller Wucht mitten in die Geschichte geworfen wird, braucht es einen Augenblick, bis man sich in ihr verfängt und sie einen packt. Ich hatte ein paar Anlaufschwierigkeiten, und auch die vielen mir weitgehend unbekannten historischen Personen machten die Geschichte erst einmal etwas gewöhnungsbedürftig, dann aber fesselten mich die Figuren und Schauplätze zusehends. Dass die Autorin sich in diesem Metier bestens auskennt und dem Leser die Epoche näher bringen will, merkt man mit jeder Zeile. Die Geschichte ist historisch nah an der (soweit bekannten) Wahrheit und dadurch sehr authentisch. Die Handlung ist kompakt, es passiert sehr viel in kurzer Zeit. Der zeitliche Rahmen der Erzählung erstreckt sich lediglich über einen Zeitraum von etwa 26 Jahren, man erfährt zwar einiges aus Erinnerungen der Protagonisten, jedoch leben sie deutlich in ihrer Gegenwart, und zum Ende hin verdichtet es sich noch bis zum finalen Höhepunkt. Zum Glück sind die einzelnen Kapitel noch mit Zeitangaben überschrieben, diese sind ungeheuer hilfreich, da es hier Zeitspannen von einem Tag bis hin zu mehreren Monaten gibt. Dies befähigt den Leser sich auf neue Situation einzustellen und die Ereignisse einzuordnen.


Das Buch kommt auch äußerlich dicht und voll gepackt daher, es hat einen schönen Einband, in dessen Innenseiten vorne und hinten jeweils historische Karten Europas und der Walachei im 15. Jahrhundert abgebildet sind, mit deren Hilfe man die Wege der Kämpfer gut nachvollziehen kann. Ebenso ist auch das umfangreiche Namensverzeichnis der handelnden Personen hilfreich, von denen die meisten historisch sind. Natürlich nutzt die Autorin auch ihre künstlerische Freiheit aus – schließlich ist es ein Roman – und haucht so den mitunter unnahbaren historischen Figuren Leben ein und macht die Geschichte wirklich erlebbar und glaubwürdig. Zugute kommt ihr hier, dass viele Annahmen nicht wissenschaftlich belegt sind und es oftmals mehrere Ansätze gibt. Die Charaktere sind sehr gut herausgearbeitet und äußerst vielschichtig. Dadurch dass aus vielerlei Perspektiven erzählt wird, erhält der Leser tiefe Einblicke in das Seelenleben sowohl der Haupt- als auch der Nebenfiguren und erfährt so vieles über Motive und Gefühle. Der Roman hat durchaus sehr emotionale Momente, die aber weitgehend sachlich geschildert werden – grobe Sexszenen bleiben gänzlich aus, und die gruseligen Folterszenen halten sich in Grenzen und passen immer zum Kontext. Hauptthema ist sicherlich der Kampf und der Krieg generell und hier vor allem Vladislavs ständiger Kampf um seinen Thron und der Erhalt seiner Herrschaft sowie die Kämpfe und Machenschaften seines einstigen Freundes und Waffenbruders Janos. Dieser wandelt sich nach und nach zu seinem erbittertsten Feind, ein Verrat, den Vladislav nur schwer verdauen kann und dessen Motive ihm lange schleierhaft bleiben.

Janos ist überhaupt ein ambivalenter Charakter. Er wird einerseits von Ehrgeiz zerfressen dargestellt, als Bastard von König Sigismund, der nach Anerkennung als legitimer Sohn von diesem und nach der Achtung des Adels giert, beides jedoch nie erlangt. Er wird als neureich verachtet und nur als mutiger Kämpfer wahrgenommen. Andererseits ist er ein geradezu strategisch genialer Feldherr, der mehr als einmal das riesige Osmanenheer mit einer Minderheit besiegt und taktisch klug seine Macht und seinen Reichtum mehrt. Außerdem ist er ein überzeugter Kämpfer für das Christentum und Ratgeber mehrerer Fürsten. In seiner Liebe zu Clara ist er sicherlich zunächst eifersüchtig auf Vlas Erfolg, meines Erachtens spielt das aber später keine größere Rolle mehr. Ihn interessieren nur seine politische Macht und Vermehrung seines Reichtums. Gegen ihn bleibt Vlas, obwohl ein sympathischer Charakter, mitunter ein bisschen blass, er agiert häufig zwiespältig, zum Beispiel einerseits als Vasall des Osmanenherrschers, sieht er sich dennoch als Ritter des Drachenordens als Verteidiger des Glaubens. Er kämpft erbittert um den Thron, steckt aber immer voller Zweifel und fragt sich, ob das Sinn macht. Ein Grund hierfür könnte sein, dass sein Land, die Walachei, und sein Volk in einer Sandwich-Position zwischen den großen sich bekämpfenden Nationen Ungarn und den Osmanen liegen und er in ständiger Bedrohung vor Angriffen lebt. Mit seinen Frauen handelt er genauso, einerseits liebt er seine Frau und seine Kinder und tut alles für sie, andererseits schwört er Clara ewige Liebe und kann sie nicht vergessen, nutzt sie aber wiederum als Spitzel bei konspirativen Treffen, die in ihrem Haus stattfinden, und bringt sie dadurch in Lebensgefahr. Clara führt zwar zum Bruch der beiden Freunde Vlas und Janos, sie bleibt aber dennoch im Hintergrund. Die Frauen in der Geschichte spielen ansonsten keine herausragende Rolle, höchstens zur Sicherung der Thronfolge. Clara und Vlas Gattin Vasilissa sind sehr emotional und bestechen nicht unbedingt durch strategischen Verstand, die Tochter Sigismunds schafft es nicht als Regentin zu herrschen und stirbt früh.

Der für mich interessanteste Charakter, über den ich sehr gerne mehr erfahren hätte, ist Roxalan, vielleicht auch deswegen, weil man im Prolog bei dessen Geburt dabei ist. Er ist Priester der Alten Mysterien, ist weitgereist, hat bei diversen Völkern gelebt und dort immenses Wissen angehäuft. Er ist nicht nur ein Meister der Verwandlung, ein großer Krieger, sondern auch ein kluger Stratege mit untrüglichem Instinkt.
Der Sinn seines Lebens ist es Vlas zu beschützen und er hält treu und loyal zu ihm. Über seine emotionale Seite erfährt man sonst reichlich wenig, er bleibt geheimnisvoll und ein bisschen unnahbar, ist aber bis zum Schluss an der Seite Vlas‘ und später seiner Söhne. Überhaupt ist viel von Bestimmung die Rede, es ist seine Bestimmung Vlas zu beschützen, und auch Vlas und Janos reden viel von ihrer Bestimmung zu herrschen. Auch das Motiv der Rache zieht sich durch den ganzen Roman und ist Antrieb für mancherlei Handlung.

Fazit: Der Autorin gelingt ein fulminantes Debüt, ein großartiger Roman über ein Europa im Umbruch, eine spannende Geschichte vor einem spannenden historischen Hintergrund. Kurz vor dem Fall Konstantinopels 1453 und dem Übergang von Mittelalter zur Neuzeit, dem Zeitalter großer Erfindungen und Entdeckungen, kurz vor den Glaubenskriegen und der Reformation kämpfen starke Nationalstaaten um die Vorherrschaft in Europa, und dazwischen steht die Walachei und kleinere osteuropäische Völker, die oft als Spielball benutzt werden und um ihr Überleben kämpfen. Glaube, Liebe, Hoffnung, Nationalstolz und Bestimmung, aber auch Rache und Vergeltung, Ehrgeiz und Verrat sind die großen Motive dieses Romans. Für alle, die einen anspruchsvollen, und gut recherchierten Roman mit authentischen historischen Persönlichkeiten nicht einfach so herunterlesen, sondern eintauchen wollen in eine faszinierende Welt, die real wird. Als Leser lebt man förmlich mit, erlebt das Schlachtengetümmel, belauscht Gespräche, ist Schaulustiger bei Hinrichtungen und Folterszenen. Wie gesagt keine leichte Kost, aber ein ungemein fesselnder Roman, der nachhallt und Lust auf Mehr macht – ein Wunsch, der in Erfüllung gehen könnte, denn die Autorin arbeitet laut ihrem informativen Epilog an einer Fortsetzung. Ich würde mich jedenfalls auf ein Wiedersehen mit den tollen Figuren freuen!