Gut recherchierter historischer Roman

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pmelittam Avatar

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1431 wird Vladislav Basarab in den Drachenorden aufgenommen und nennt sich fortan Vladislav Draco. Aufgewachsen am Hof Sigismunds, ist es sein höchstes Ziel, sich den Thron seines Vater zurückzuerobern. Doch auch gegen die Hussiten und die Osmanen gilt es sich zu rüsten. Wer Verbündeter ist, ist nicht immer leicht zu erkennen, Intrigen und Zwietracht untereinander herrschen vor, Machtstreben, Eigennützigkeit, Missgunst und Eifersucht entzweien sogar Freunde und Waffenbrüder wie Vlad und den Ungarn János Hunyadi.

Liliana Le Hingrat hat sich in ihrem Debütroman nicht dem, vor allem negativ bekannt gewordenen, Vlad Draculea, sondern dessen Vater angenommen. Vladislavs Geschichte ist spannend und voller Wendungen, bedingt durch die wechselnden Bündnisse und politischen Ereignisse, die die Autorin gut recherchiert aufzeigt. Auch Vlads Kindheit und Jugend (er wurde 1431 geboren) werden mit einbezogen, ihm soll ein Folgeband gewidmet werden, auf den ich schon gespannt bin, erst vor einiger Zeit habe ich einen Roman gelesen, der sich mit dem historischen Vlad Draculea beschäftigte.

Der Autorin ist es wunderbar gelungen, die damalige Zeit lebendig werden zu lassen. Ich muss gestehen, dass mir die Geschichte Transsylvaniens und der Walachei bisher kaum bekannt war, umso interessanter war es hier zu lesen. Vor allem, da Liliana Le Hingrat auch die alte, dakische Kultur jener Gegend miteinbezogen hat in Form des Charakters Roxolan, der als Hohepriester der Alten Mysterien ein leicht mystisches Element einbringt, das aber eben passend ist und auch nicht störend wirkt, tatsächlich ist Roxolan einer meiner Lieblingscharaktere des Romans.

Liliana Le Hingrat erzählt sehr bildhaft und fängt wunderbar Stimmungen ein, sei es mit Sigismund bei Hof, in Gegenwart der Königin und ihrer Hofdamen, im Wald unter Wölfen oder auch im Kampf, man fühlt sich, als wäre man selbst dabei.

Die Charaktere sind tiefgehend gezeichnet. Wie die Autorin im Nachwort berichtet, hat sie sich vor allem auf zeitgenössische Quellen gestützt, deren Widersprüchlichkeit oder allzu patriotische Huldigung sie allerdings sinnvoll deuten musste. Natürlich sind die Charakterfärbungen dadurch subjektiv geprägt, aber so etwas lässt sich, zumal bei so lange zurückliegender Historie, kaum vermeiden. Dadurch, dass es im Nachwort ausführlich erwähnt wird, kann der Leser es entsprechend einordnen.

Nicht gut gefallen hat mir persönlich der Handlungsstrang um Clara von Thegzes, der sich durch den ganzen Roman zieht und eine ziemlich wichtige Rolle spielt. Auf mich wirkt er aufgesetzt und nicht nachvollziehbar. Ich kann weder die Gefühle, die andere Charaktere für Clara empfinden, nachvollziehen noch die Konsequenzen daraus verstehen, zumal mir Clara nicht als liebenswerte Person nahegebracht wird. Hier hätte sich die Autorin mehr Zeit für die Entwicklung der verschiedenen Emotionen lassen müssen. Gewiss, der Roman umfasst 16 Jahre, jedoch für das Verständnis dieses nicht unwesentlichen Handlungsstranges wäre es wichtig gewesen. Bei mir löste es Kopfschütteln aus und ich empfand vor allem das Ende als unfassbar kitschig. Da sich dieser Handlungsstrang auf den gesamten Roman auswirkt und vor allem auf das Verhältnis zweier wichtiger Protagonisten, führt das zur Abwertung, volle Punktzahl ist hier nicht möglich. Dass die Autorin sich dazu im Nachwort äußert, hat mich dann etwas versöhnt.

Nachdem ich das Nachwort nun schon mehrfach erwähnt habe: Der Roman ist sehr gut ausgestattet, neben dem, sehr ausführlichen, Nachwort, gibt es zwei mehrfarbige Karten und ein Personenverzeichnis, in dem historische Persönlichkeiten als solche kenntlich gemacht werden. Ein Glossar fehlt leider. Ich habe während der Lektüre ausgiebig gegoogelt und insgesamt viel Neues erfahren, für mich eine wesentliche Eigenschaft eines historischen Romans.

Wer gut recherchierte historische Romane liebt und sich zudem gerne einmal in eher unbekannte Gebiete und Zeiten versetzen lassen will, ist hier am rechten Ort.