Erinnerungslücken und subjektive Wahrheiten

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takabayashi Avatar

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Ein spannender und interessanter Roman um die Aufklärung eines Mordes vor 30 Jahren an einem Abend in Paris.
Der New Yorker Psychiater und Psychotherapeut James Cobb wird nach einem Vortrag von dem tödlich erkrankten Multimillionär Joshua Fleischer angesprochen und gebeten, ein paar Tage zu ihm nach Maine zu kommen, um ihm per Hypnose zu helfen, die Ereignisse an jenem Abend in Paris zu beleuchten. Fleischers Erinnerungen sind lückenhaft und er befürchtet, damals einen Mord begangen zu haben. Bevor er stirbt, möchter er darüber Klarheit gewinnen. Sein ganzes erwachsenes Leben hat der erfolgreiche Finanzexperte sich als Philanthrop gezeigt und mit seinem Geld viel Gutes getan. Alles, um sich von der vermeintlichen Schuld reinzuwaschen? In Fleischers Erzählung spielen noch zwei weitere Personen eine wesentliche Rolle, sein Kommilitone und Mitbewohner Abe Hale und die Französin Simone, in die die beiden jungen Männer anscheinend verliebt waren.
In Cobbs eigenem Leben gibt es auch ein dunkles Kapitel: vor etwa drei Jahren hatte er eine Patientin, Julie, mit der er sich - entgegen aller Konventionen seines Berufsstandes - auf eine intime Beziehung eingelassen hatte. Diese Patientin beging später Selbstmord, woran Julies Eltern ihm die Schuld gaben; jedoch wurden die Ermittlungen gegen ihn im Endeffekt ohne Anklage wieder eingestellt.
Im Zuge von Fleischers Therapiesitzungen werden Cobbs Erinnerungen und Schuldgefühle wiederbelebt. Fleischer stirbt, bevor der damalige Abend rekonstruiert werden konnte, aber Cobb forscht nach seinem Tode trotzdem wie besessen weiter, fliegt sogar nach Paris.
Wie auch schon beim "Buch der Spiegel" schafft E.O. Chirovici es wieder, den Leser (jedenfalls mich) sofort zu fesseln und in die Handlung hineinzuziehen. Es liest sich sehr spannend, wir erfahren immer mehr kleine Puzzleteile, die sich teilweise aber auch widersprechen. Die endgültige Auflösung wirkt dann nach dem vorangegangenen Spannungsaufbau allerdings etwas enttäuschend, fade und auch konstruiert. Trotzdem eine spannende Lektüre, die einen bis zum Ende gefangen hält und der Schreibstil des Autors liest sich sehr angenehm und flüssig.
Also insgesamt eine Leseempfehlung.