Was geschah mit Simone?

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darcy Avatar

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E.O. Chirovici hatte mit seinem Roman „Das Haus der Spiegel“ einen vielschichtigen und ungewöhnlichen Roman geschrieben und damit einen internationalen Bestseller gelandet. Da war die Erwartungshaltung für sein neues Buch natürlich groß.

Auch hier geht es um die menschliche Erinnerung. Der Psychiater James Cobb wird nach einem seiner Vorträge von einem Mann angesprochen. Er würde gerne seine Dienste als Arzt in Anspruch nehmen. Cobb ist zuerst abgeneigt, aber dann wird er doch neugierig und da er nichts Besseres zu tun hat, nimmt er das Angebot des wohlhabenden Joshua Fleischer an, ihn in seinem Anwesen zu besuchen. Fleischer hat Leukämie und nicht mehr lange zu leben. Es liegt ihm aber etwas auf dem Gewissen. In seiner Jugend verbrachte er einige Zeit zusammen mit seinem Freund Abraham in Paris. Dort verliebten sie sich beide in die Französin Simone. Doch eines Abends verschwand Simone. Fleischer hat nur noch ungenaue Erinnerungen an den Abend und er hat das dumpfe Gefühl, das er sie vielleicht ermordet haben könnte. Er möchte, das Cobb ihn hypnotisiert und somit vielleicht verschüttete Erinnerungen freilegen kann. Die Sitzungen verlaufen gut, Fleischer scheint sich zu erinnern, aber er spricht mit Cobb nicht darüber. Cobb reist ab und kurz danach stirbt Fleischer. Cobb aber ist von dieser Geschichte um Fleischer, Abraham und Simone fasziniert und beginnt, auf eigene Faust in der Vergangenheit seiner verstorbenen Klienten herumzuforschen.

Das Thema der menschlichen Erinnerung ist faszinierend. Auch in diesem Roman spielt Chirovici mit der Erkenntnis, dass wir selber schon im Moment des Erlebens unsere eigene Version abspeichern und nicht unbedingt dass, was wirklich passiert ist. Unser Gehirn interpretiert und selektiert und bildet unsere eigene persönliche Wahrheit. In diesem Buch lässt er jeden Protagonisten seine eigene Version der Dinge erzählen und jede klingt plausibel. Doch sie unterscheiden sich alle in wichtigen Details. So faszinierend das ist, so ist es doch auch eine Schwachstelle des Buches. Denn hier wird viel geredet und wenig gehandelt. Alle Figuren erzählen eine Geschichte aus der Vergangenheit und in der Gegenwart passiert wenig. Cobb reist ein wenig hin und her und redet mit Menschen. Das macht die Story nicht gerade zu einem Pageturner. Eine gewisse Spannung baut sich dennoch auf, schließlich will man ja wissen, was damals passierte. Im Gegensatz zum „Haus der Spiegel“ fällt dieses Buch aber ab. Zu keiner Zeit erreicht es die Komplexität seines Vorläufers. Im Nachwort kann man lesen, dass „Das Echo der Wahrheit“ tatsächlich zuerst geschrieben wurde. Es liest sich in der Tat wie ein Vorläufer, eine Fingerübung zum eigentlichen Hauptwerk. Vom Ende war für mich überraschend. Ich hatte zu sehr auf eine andere Wendung gewartet, die nicht eintrat. Allerdings wurden dadurch, dass meine Vermutung nicht stimmte, einige Fragen für mich nicht restlos beantwortet. Auch empfand ich das aggressive Nachforschen Cobbs in der Vergangenheit eines verstorbenen Patienten als sehr grenzwertig. Immerhin hatte er eine Verschwiegenheitserklärung unterschrieben. Die Faszination, die diese Geschichte auf ihn ausübt, ist auch nur bedingt nachzuvollziehen und muss man einfach akzeptieren.

Chirovicis Schreibstil ist distanziert und kühl. Er schreibt schnörkelos und fast ein wenig altmodisch. Die Spannung ist unterschwellig. Die Thematik bleibt interessant, auch wenn im Nachhinein dieses Buch wie eine Wiederholung (oder halt Vorläufer) für „Das Haus der Spiegel“ wirkt. Ich hätte mir ein wenig mehr Tiefe gewünscht und vielleicht auch ein wenig mehr von der Arbeit Cobbs. Trotzdem ist „Das Echo der Wahrheit“ eine angenehme Abwechslung vom Krimieinerlei.