Ergreifender Tatsachenroman

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„Als wir den steilen schmalen Pfad endlich erreichten, ließ ich mich weinend auf die Erde fallen. Ich konnte und wollte einfach nicht mehr! Mein ganzes bisheriges Leben hatte aus Flucht und Schmerzen, Leid und Elend, Gewalt und Tod bestanden. Ich war annähernd zehn Jahre alt und hatte noch nie etwas anderes erlebt!“ (S. 313)


Nach jedem Tatsachenroman der Autorin Hera Lind denke ich immer, es kann eigentlich keine schlimmere Geschichte geben … Und dann bin ich wieder aufs Neue völlig fassungslos, was Menschen erleben, erleiden und ertragen müssen. Die Geschichte um den kleinen Djoko ist dermaßen bewegend, dass es mir teilweise schwerfiel, weiterzulesen.

Der kleine Djoko wird mit nur fünf Jahren zum Vollwaisen und seine bis dahin glückliche Kindheit in seinem Heimatdorf ist von nun an beendet. Zuerst verlor er im beginnenden Krieg seinen Vater Tate und kurze Zeit später auch seine Mutter Mame, dann seinen Großvater und sein Zuhause, als sein Elternhaus bei einem Angriff dem Erdboden gleichgemacht wird. An den Beinen schwer verletzt kann er sich gerade noch retten. Seine Großtante versteckt ihn vor den Ustaschas, kann ihn dann aber auf seinem weiteren Fluchtweg nicht begleiten. Ich kann gar nicht beschreiben, was der kleine Djoko auf seiner weiteren Flucht noch erlebt und überlebt hat, was hier außerdem den Rahmen sprechen würde. Vor allem diese unfassbaren Schmerzen und der Hunger müssen so schlimm gewesen sein, das kann sich heutzutage niemand mehr vorstellen. Aber er lernt so viele Menschen kennen, die ihm auf irgendeine Weise geholfen haben und sein Überleben gesichert haben. All denen hat er im Anschluss seinen Dank ausgesprochen, was ich sehr schön fand. Viele von ihnen können diese Zeilen leider nicht mehr lesen, aber ich denke, Djoko hat sein Leben lang nicht vergessen, wem er alles sein Leben zu verdanken hat.

Es kommen in dem Buch sogar Anni, Amalie und Karl aus dem Banat vor, und ich habe die ganze Zeit überlegt, ob es sich um die Protagonisten aus „Das letzte Versprechen“ handelt. Aber das wäre ja ein zu großer Zufall, dass unser Djoko genau diesen Karl kennengelernt hat …

Wie immer bei den Tatsachenromanen von Hera Lind musste ich auch dieses Buch erst einmal sacken lassen. Djoko gebührt meine absolute Hochachtung, was er als kleines Kind durchgemacht hat. Wie durch ein Wunder hat er so viele schreckliche Situationen überlebt. Aber auch Hera Lind spreche ich ein großes Lob aus, wie sie auch hier wieder sehr einfühlsam, bildhaft und absolut authentisch die Ereignisse dargestellt hat. Wie sie auch im Nachwort schreibt, ist es ihr „eine Aufgabe und eine Verantwortung, die unfassbaren Geschichten der Menschen, die im Zweiten Weltkrieg Kinder waren, heute einer breiten Öffentlichkeit zukommen zu lassen.“ (S. 376) Djoko ist heute 88 Jahre alt, und ich bin froh, dass seine Geschichte durch die Feder von Hera Lind einer breiten Öffentlichkeit zugänglich ist. Von mir gibt es natürlich eine Leseempfehlung und verdiente 5 Sterne für diese ergreifende und unglaubliche Geschichte.