Das Eis schmilzt - schon viele Jahre!

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writereadpassion Avatar

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Bewertung:
Das Cover, wie auch die Gesamtaufmachung sind sehr schön und passend. Das Cover ist unaufgeregt und ohne Klimbing-Gedöns. Es überzeugt mit schlichter Schrift und schwarz-weiß-Design.

Inhaltsverzeichnis:

Chronist wider Willen (Einführung)
Die Zukunft möglich machen
Von unserem leichtfertigen Umgang mit der Natur
Raubtiermentalität
Die Jugend wacht auf!
Land unter
Der Irrglaube
Das sechste Massensterben
Artis/Antarktis – Die Frühwarnsysteme der Erde
Wir müssen grünes Wachstum fördern
Samso – Eine Insel schafft die Wende
Das unglaubliche Dorf
Es geht auch anders
Plastik – Fluch oder Segen?
Grüner Wasserstoff – Die Lösung aller Probleme?
Einige Gedanken zum Schluss

Vor jedem Kapitel gibt es ein Deckblatt mit Kurzeinleitung, begleitet mit Foto und/oder Zitat zum Kapitel. Das ganze Buch ist in gleichnamiger Aufmachung erstellt und sieht toll aus. Eisberge zieren das Buch und ihre Kapitel. Die Kapitel sind mit zahlreichen Fotos besetzt, die das Geschriebene des Autors unterstützen. Die Deckblätter, sowie einige Textstellen sind außerdem farblich grün-blau gekennzeichnet.


„Wir sind nicht die letzte Generation, die den Klimawandel erleben wird, aber wir sind die letzte Generation, die etwas gegen den Klimawandel tun kann.“
(Barak Obama)

Dies ist nur zum Teil richtig. Wir sind längst an dem Punkt, an dem sich vieles einfach nicht mehr aufhalten lässt – ganz zu Schweigen von den Dingen, die bereits geschehen sind (wie Gletcherschmelze) – die lassen sich nicht wieder umkehren. Wir sind an dem Punkt, an dem sich vieles verselbstständigt hat. Was wir noch tun können, ist diese abzufedern, so gut wir können und weitere Katastrophen zu verhindern. Ganz und gar den Klimawandel loswerden, können wir längst nicht mehr. Diesen Zeitpunkt haben wir nutzlos verstreichen lassen.

Was mir total neu war, sind die Hinterlassenschaften des US-Militärs auf der Insel Fjord im 2. Weltkrieg. Würde sowas in anderer Art nicht weltweit geschehen, wäre ich entsetzt. Der Autor führt hier ein sehr gut recherchiertes Beispiel unserer Verschmutzung auf, die sich schon vor vielen Jahrzehnten ereignete. Viele meinen ja, dieses Problem sei erst vor 20 oder 30 Jahren entstanden. Die wahrheit ist aber, dass alles mit der Industrialisierung seinen Lauf nahm, und mit den Jahren einfach nur noch intensiver wurde.

Womit der Autor definitiv recht hat, ist, das es nicht die Eine Lösung für uns alle gibt. Was in Island funktioniert, funktioniert nicht in Afrika und umgekehrt. Weil einfach jedes Land seine eigenen Lagebedingungen hat und verschiedene Lösungen begünstigt. Darauf müssen wir eingehen und sie entsprechend umsetzen. Der Autor zeigt anhand von einigen Inseln, dass das super funktioniert – wenn alle am selben Strang ziehen und wirklich eine Änderung wollen. Die Technologien sind seit Jahren da, nur der Wille, sie uns zu Nutze zu machen, nicht richtig. Wir verschwenden kostbare Zeit mit Ignoranz und Stillstand.



COVID-19 betrifft die ganze Welt – auch Island. Warum, so frage ich mich, ist man nicht in gleichem Maße dem Rat der Wissenschaftler gefolgt, die seit vier Jahrzehnten vor dem Klimawandel warnen? Hätte man diese Warnungen zu irgendeinem Zeitpunkt ernst genommen, bzw. wäre man Empfehlungen der Wissenschaftler gefolgt, hätten wir heute nicht diesen Zeitpunkt. Das Bruttoinlandsprodukt kann nicht das Maß aller Dinge sein. Was nützt uns ein gutes BIP bei weniger Lebensqualität und einer zerstörten Umwelt? Die Coronakrise wird irgendwann vorbei sein, der Klimawandel ist irreversibel.

(Seite 200)


Tatsächlich geht die Warnung sogar weiter, wie ich vor kurzem gelesen habe. Schon Anfang des 20. Jahrhunderts warnten Wissenschaftler davor, wenn auch nicht so zahlreich wie heute. Da waren die Auswirkungen auch noch nicht so vorhersehbar und im Gange. Es kann den Autor nicht wirklich wundern, dass die Regierungen nicht auf die Wissenschaftler gehört haben – so läuft dieses Prinzip in unserer kapitalistischen Gesellschaft: es geht nur ums Geld und die Profitgier. Und wenn der Tod nicht direkt vor unserer Tür steht – wie es bei dem Coronavirus der Fall ist – werden die Probleme ignoriert und weitergemacht, solange es geht. Solange ewiges Wachstum, unendliche Produktivität und Gewinngier über unsere aller Wohl steht, solange machen wir auch erst den Deckel drauf, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist.

Und keine Pandemie der letzten Jahrzehnte hat weltweit solch rasante Tötungsfolgen verursacht. Es sterben Tausende jährlich an normaler Grippe oder an Multiresistente Keime in Deutschland, auch gibt es immer wieder extrem tödliche Epidemien in anderen Ländern, wie vor einigen Jahren Ebola in Afrika … aber schon lange gab es kein Virus mehr, dass so rasant und weltweit zur gleichen Zeit tötet. Das macht die Sache derart dringlich, dass selbst unsere sonst so ignoranten und aussitzenden Regierungsbeamten zügig reagierten und Geld im Übermaß in die Wirtschaft pumpen. Wo sonst Geld von der Bundesregierung nur den Wirtschaftssternchen zugute kam, kommt das Geld, das jetzt fließt, allen in der Wirtschaft zugute. Das sind diese zwei außergewöhnlichen Umstände (weltweiter tödlicher Virus zur selben Zeit und Geld für die gesamte Wirtschaft Deutschlands), die gerade stattfinden und uns zeigen, wie verwundbar, aber auch schnell wir reagieren können – wenn wir denn wollten! So wie die Bundesregierung uns Jahrzehnte vorlallte, es ist kein Geld für unsere dringlichen Problemfälle da (spekulierende Banken bekommen aber Billionen in die Häuser geschmissen, beispielsweise) – ereignet sich im Angesicht einer wirtschaftlichen Katastrophe, dass das Geld sehr wohl da ist, nur eben für bestimmte Bereiche und Menschen. Würde die Gesamtwirtschaft nicht unter dem Virus leiden, würde das Geld auch nicht in Strömen pumpen. So sieht die ganze Wahrheit aus.


Wie der Autor ebenfalls richtig schreibt: Menschen, die um ihre Existenz kämpfen, die Klimaproblematik verständlich zu machen, ist äußerst schwierig. Wenn du kaum Nahrung hast und nicht weißt, wie du die Miete zahlen sollst, dann interessiert es dich wenig, was die Natur uns mitteilt. Ich kenne das aus Erfahrung. Wir hatten oft wochenlang keinen Strom oder warmes Wasser, wären fast obdachlos geworden und hatten ab Mitte des Monats nur noch Toast und Magarine zu essen. Ja, das gibt es mitten in Deutschland, auch wenn sich die Meisten das nicht vorstellen können. Ihr könnt mir glauben, dass ich mich oft wie eine Afrikanerin gefühlt habe. Und da soll ich mich um die Umwelt sorgen und naturgerecht handeln?

Ein weiteres Problem ist die fehlende Bildung. Dieses Problem tritt insbesondere in generell armen Ländern auf. Zwar gibt es das hier auch reichlich, aber Deutschland ist ein reiches land, indem arme Menschen leben. Das ist ein unterschied zu generell armen Ländern. Da ist das Umweltbewusstsein ein ganz anderes, auch trifft das auf Tierwohl und andere Thematiken zu. Auch hier meinen ja viele, dass diese Menschen einfach blöd sind oder denen die Umwelt egal ist. Die gibt es natürlich auch, ob dort oder hier. Aber es ist eher so, dass sie nicht wissen, was sie mit ihrem Verhalten anrichten, da sie in solchen Thematiken nicht gebildet sind. Was für uns selbstverständlich ist, davon wissen sie zuweilen nichts. Erklärt einem Vierjährigen mal das Einmaleins. Der wird nur fragend gucken, weil er es nicht kennt und gelernt hat. Wenn wir allerdings mit einem achtjährigen darüber sprechen, sind wir auf einer Wellenlänge. Anstatt also von oben herab mit den bildungsarmen Menschen zu sprechen, sollten wir ihnen Zugang zu dieser Bildung geben, damit sie ihren Beitrag dazu leisten können.


Wir sollten lernen, dass ein Verdrängungskampf gegen die Natur unser aller Untergang bedeutet. Nur im umsichtigen und nachhaltigen Umgang mit der Natur sind wir zukunftsfähig.
(Seite 246)



Die Quellenangaben finde ich unzureichend und zum Teil auch nichtssagend. Bei einigen Quellen steht einfach „Wikipedia“ als Angabe. Sehr informativ!

Ziemlich unnötig und auch etwas bescheuert finde ich den Plastikaufkleber auf der Rückseite, auf dem steht, dass der Verlag auf Plastik verzichtet. Aha. Das ist genauso sinnvoll wie eine Biogurke in Plastik verpackt. Dieses Statement des Verlages hätte ja, wie alles andere, aufgedruckt werden können. Dafür muss ich doch kein Plastiksticker nutzen. Aber das nur am Rande …



Fazit:
Ich finde nicht alles, was der Autor schreibt, gut gewählt und bin mit ihm einer Meinung (wie Abwägung von Lösungen, bei denen wir einige Tierarten den anderen gegenüber opfern), aber ich finde, dass der Autor tolle Einblicke in die Welt des Eises gewährt und viele gut funktionierende Beispiele aufführt. Obwohl ich sehr viel über das „Eis-Thema“ weiß, habe ich viele neue Erkenntnisse dazugewonnen. Es ist ein Erfahrungsbericht mit gut recherchiertem Wissen über verschiedene Vorgänge – ob Auswirkungen des Klimas oder seine Lösungsmöglichkeiten.

Wieder ein Buch, das zeigt, wie rücksichtslos wir Menschen sind, aber auch, was wir an Möglichkeiten erreicht haben und was noch zu tun ist. Deshalb empfehle ich es sehr gerne weiter!


„Wer sich seiner Vergangenheit nicht erinnert, ist dazu verurteilt, sie zu wiederholen.“
(Jorge Santanyana)



Ich bedanke mich herzlich beim vorablese-Team und dem Verlag für dieses tolle Buch! :-D