Nicht so packend wie erwartet, aber auf eigene Weise berührend

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lunamonique Avatar

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Nach ihrem Debütroman „Die Bienen“ ist „Das Eis“ das neueste Werk von der Autorin Laline Paull. Klimawandel und Eisschmelze, in der Arktis taucht eine Leiche auf spektakuläre Weise auf.

Bei einer Arktis-Expedition kommt der britische Umweltschützer Thomas Harding ums Leben. Seine Leiche gibt der Gletscher erst Jahre später frei. Sean Cawson wird verdächtigt, Schuld am Tod seines besten Freundes zu sein. Eine gerichtliche Anhörung soll die Wahrheit aufdecken.

Der Einstieg mit Kreuzfahrtpassagieren, die alles daran setzen einen Eisbären zu sehen, wirkt real und macht deutlich, wie wir Menschen auf peinliche Weise Grenzen überschreiten. Autorin Laline Paull zeigt auch in diesem Roman wieder ihr Herz für die Natur- und Tierwelt. Eisbären, die vom Aussterben bedroht sind, eine Walroßjagd aus Sicht von Mensch und Tier, diese Szenen in freier Wildbahn berühren. Besorgniserregende Veränderungen der Arktis, das Verschwinden der Gletscher, und damit eines besonderen Zaubers der Natur, macht sprachlos. Die Geschichte hat einerseits etwas Eindringliches und erzählt von unwiederbringlichem Verlust, legt den Finger auf die Wunde. Andererseits kann die Hauptfigur nicht so recht überzeugen. Sie wirkt wie Beiwerk zu den Erzählungen. Einen charismatischerer Eindruck hinterlässt der Tote. Tom war beliebt, setzte sich mit Charme und Persönlichkeit für den Naturschutz ein. Warum musste er sterben? Das ist der rote Faden der Geschichte. Erst mit der gerichtlichen Anhörung kommt etwas Spannung auf. Was ist damals geschehen? Jedes Kapitel beginnt mit einem Zitat aus einem Arktis-Expeditions-Abenteuer. So manches, was berühmte Polarforscher erleben, ist schwer zu ertragen. Die Grausamkeit der Natur und der Menschen wird gegenüber gestellt. Sean leidet unter den Ereignissen in der Eishöhle. Nur langsam setzen sich die Puzzlesteine der Wahrheit zusammen. Erst zum Schluss kommt der Roman richtig in Fahrt. Zu spät. Auch wenn die Natur mitreißt, Gefahren für die Arktis berühren, die Geschichte plätschert zu lange dahin. Der Schluss ist gut in Szene gesetzt. Die Einschübe hätte es nicht gebraucht. Eines hat der Roman erreicht, er macht betroffen und regt zum Nachdenken an.

Die Szene in der Eishöhle zieht alle Blicke aufs Buch. Der Titel hätte auffälliger gestaltet werden können. Sehr gut gewählt sind die Farben. Passend zum Titel und Inhalt. „Das Eis“ erfüllt nicht ganz die hohen Erwartungen, aber es entführt in eine unwirkliche Welt, die es zu schützen gilt. Auch wenn es für ein Umdenken schon recht spät ist. Autorin Laline Paull greift mit ihren Romanen interessante Themen auf. „Das Eis“ hätte packender sein können, macht aber mit stiller Wut und einem Anflug von Resignation auf die Probleme aufmerksam.