Spannender Ökothriller mit Anspruch

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dajobama Avatar

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"Die Arktis ist beides. Friedlich und Furchterregend. Sie ist erhaben." Seite 161

Dieses Buch ist nichts für Leser, die aufgrund des Covers oder des Klappentextes eine oberflächliche Geschichte über eine Expedition in der Arktis erwarten. Tatsächlich befasst sich ein großer Teil des Romans mit der gerichtlichen Untersuchung eines Unglücksfalls, unterbrochen immer wieder durch Rückblenden zum damaligen Geschehen. Außerdem ist nach jedem Kapitel eine Sequenz aus einer früheren, tatsächlichen Arktis-Expedition eingeschaltet. Diese haben zwar auf den ersten Blick nichts mit der eigentlichen Handlung zu tun, mir haben sie dennoch sehr gut gefallen, weil sie mir die Stimmung nähergebracht haben.

"Das Eis" spielt in relativ naher Zukunft. Der Klimawandel hat sich fortgesetzt, sogar beschleunigt. Es gibt Sandstürme in London, die Arktis ist zu großen Teilen eisfrei und schiffbar. Die Eisbären sind beinahe ausgestorben. Sean Cawson hat mit seinem besten Freund Tom Harding eine alte Walfangstation auf Spitzbergen gekauft und einen Aufenthaltsort für die Reichen, Midgard Lodge, geschaffen. Doch dann geschieht bei einer Expedition ein Unglück und drei Jahre später wird beim Kalben eines Gletschers Toms Leiche freigegeben. Eine gerichtliche Untersuchung soll die genauen Todesumstände klären.

Sean ist nicht gerade eine sympathische Hauptfigur, doch er ist fasziniert von der Arktis, geradezu besessen und beseelt von dem Wunsch diese Gegend und ihre Natur zu schützen und darin wirkt er durchaus authentisch. Genauso wichtig aber ist ihm finanzieller Erfolg. Er hat einen bemerkenswerten Aufstieg geschafft und ist reich geworden, doch das reicht ihm noch immer nicht aus. Die wichtigste Zielsetzung von Midgard: "einen inspirierenden Ort zu schaffen, an dem die Versöhnung von Unternehmertum und ökologischer Verantwortung gefördert wurde." Seite 268
Im Zuge der Vernehmungen wächst der Druck auf Sean. Er ist nach wie vor traumatisiert und zweifelt an sich selbst.
Bemerkenswert an diesem Roman fand ich, dass hier eine Autorin, also eine Frau, einen männlichen Protagonisten beschreibt. An mehreren Stellen ist mir hier aufgefallen wie hervorragend sie die Gefühlswelt am Abgrund einer posttraumatischen Belastungsstörung beschreibt. Das empfand ich als sehr intensiv und extrem gut gelungen.

Eine klare Leseempfehlung für dieses besondere Arktis-Buch, in dem die Autorin die Interessen des Klimaschutzes denen der allgegenwärtigen Profitgier gegenüberstellt.