Ein junger Mann im Geflecht von Familie und Leben und er ist wichtiger als er denkt

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bigz Avatar

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Charlie ist ein junger Mann und er hat einen Plan. Er möchte einen großen Roman schreiben und dafür hat er eine Zivildienststelle auf einem einsamen Leuchtturm ergattert, mit Vögelzählen und viel Zeit. Aber bis dahin lebt sich sein Leben so vor sich. Er kümmert sich irgendwie um alles, leise und selbstverständlich. Denn sein Vater ist ein recht verpeilter Musiker, der eigentlich dauernd in seinem Keller sitzt und an den Nummern für die nächste Tour mit seinem Partner Stucki bastelt. Und dann gibt es da seine kleine Schwester Fritzi, die über eine absolute Inselbegabung verfügt, Bücher lesen im Akkord und nicht eine Zeile davon jemals vergessen. Die Mutter, Rita, ist meistens nicht 'anwesend', höchstens mal für ein paar Tage, um sich dann erneut aufzumachen, zu neuen Erfolgen als Kultregisseurin an irgendeinem Theater. Es gibt auch noch Großeltern mütterlicher und väterlicherseits, leider nicht mehr ganz vollzählig, aus sehr verschiedenen Gründen und eine Freundin in Mexico, mit der er als Junge einmal einen schönen Kindersommer verbracht hat. Jetzt erzählen sich die beiden, Maryra und er, seit vielen Jahren gegenseitig ihr Leben über den großen Teich hinweg, per Videokassette. Freunde und Feinde und irgendwas dazwischen gibt es auch noch eine Menge in dem ganzen Gewirr. Ach ja, arbeiten geht Charlie natürlich auch arbeiten, in einer Werbeagentur und das durchaus erfolgreich. Das dabei verdiente Geld fließt, ganz klar, ins heimische Familiennest, denn Telefon und Strom sind zwischendrin durchaus auch mal abgestellt, weil Vater Dito es wieder mal vergessen hat oder vielleicht auch gerade nicht so richtig Geld da war, um die Rechnung zu bezahlen. Was solls! Und so ganz nebenbei, man sollte nicht vergessen, Charlie hat ein schwaches Herz, was niemanden so wirklich interessiert und auch er selbst kommt damit ganz gut zurecht, bis die Geschichte dann so richtig Fahrt aufnimmt und das dann Charlie das ein oder andere Mal doch so richtig umhaut. Er stirbt so im Laufe der Zeit nicht nur (fast) einen Tod, denn das krasse Auf und Ab der Gefühle ist ja bekanntlich gar nicht gut für dieses Organ.
Ich fand diesen Debütroman, der den Hamburger Förderpreis bekommen hat, richtig gut. Geradezu ein Debütwerk ist das, was der Autor Sebastian Stuerz da vorlegt. Eigentlich geht es nur um ganz normale Dinge, die halt so passieren in einer vielleicht schon etwas 'vielfältigen' Familie. Und trotzdem wird es einem nicht eine Minute langweilig auf diesem Trip durch die über 700 Seiten lange Geschichte. Ganz zum Schluß hat man mal kurz Sorge, das es den Autor mit seiner Erzählung aus der letzten sehr scharfen Kurve trägt, aber er schafft es dann doch noch, das Steuer der Realität herumzureißen und straight on punktgenau im Ziel zu landen.
Ein ganz tolles Buch. Sehr zu empfehlen.