Das Ende des Patriarchats als Neuanfang für echte Gleichberechtigung?

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sheena01 Avatar

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Inhalt:
In diesem Buch geht die Bestsellerautorin Emilia Roig der Frage nach, ob die Ehe als Institution überhaupt noch zeitgemäß ist, oder ob sie nicht doch ein Hindernis für die Frauen zur Weiterentwicklung darstellt, da Frauen innerhalb einer Ehe ein recht traditionelles Rollenbild zuteilwird.

Schreibstil:
Emilia Roig bedient sich hier einer eher gehobenen Ausdrucksweise und verwendet zudem eine Vielzahl von Quellenhinweisen, die sich nicht nur auf Autoren mit universitären Würden und Titeln beziehen, sondern es werden hier auch Aussagen und Theorien umstrittener Denker angeführt, was letztlich den Gedankenstrom, der sich über mehrere Jahrzehnte und über mehrere Kontinente hinweg entwickelt hat, sehr schön wiederspiegelt (Die Quellenangaben erstrecken sich dabei über 27 Seiten!)

Cover:
Das Cover erinnert in seiner Machart ein wenig an eines jener Graffitis, welche man heutzutage zuhauf an Wänden findet und wirkt gerade deswegen so trendy! Auf diese Weise wird dem eher abgelutschten Thema „Feminismus“ viel Esprit verliehen! Es macht aus dem Cover zu Recht einen Eyecatcher!

Autorin:
Emilia Roig wuchs in einer algerisch-jüdisch-karibischen Familie in Frankreich auf, was ihr Gerechtigkeitsempfinden prägte und den Grundstein für ihr späteres diesbezügliches Engagement prägte. Sie gilt als Gründerin und Geschäftsführerin des in Berlin ansässigen Center for Intersectional Justice (CIJ), einer Organisation, die sich gemeinnützig für Gerechtigkeit und Gleichberechtigung für Jedermann einsetzt.

Meinung:
Dieses Buch vertritt die Meinung, dass die heutige Zeit vom Patriachat geprägt ist, das letztendlich auch vor der Ehe nicht haltmacht. War die Institution der Ehe in früheren Zeiten ein finanzielles Auffangnetz für Frauen, wird dieser Aspekt mit der zunehmenden finanziellen Unabhängigkeit der Frauen obsolet. Trotzdem wird jungen Mädchen schon von Kindesbeinen eingetrichtert, dass die Ehe die einzig wahre Bestimmung einer Frau ist. Klischeehafte Disney Filme, die Märchen von Prinzessinnen zum Inhalt haben , die ihr karges Dasein fristen, bis sie vom heldenhaften Prinzen durch einen Kuss befreit werden, kamen just in jener Zeit auf, in der Frauen begannen, sich von diesem typischen Rollenbild zu befreien, und trugen ihrerseits dazu bei, Mädchen sukzessive mit konservativem Gedankengut zu indoktrinieren – ein sicherlich sehr interessanter Blickwinkel!
Überhaupt werden hier sehr viele, manchmal auch recht umstrittene Theorien angeführt, die allemal Denkanstöße geben. Die Autorin – selbst ursprünglich verheiratet und danach geschieden – spricht in vielen Dingen aus eigener Erfahrung, so etwa erzählt sie davon, dass sie nach einer pompösen Hochzeit in eine regelrechte Depression verfallen war, weil ihr Wunschdenken, mit der Hochzeit den Höhepunkt ihres Lebens erreicht zu haben, durch die Realität jähe Ernüchterung fand.
Der Grundtenor ist, dass Männer innerhalb einer Ehe Zuwendung finden und umsorgt werden, während Frauen in der Ehe meist die Rolle der Untergebenen, Dienenden einnehmen (müssen), was mit ihrer ursprünglichen romantischen Vorstellung einer Beziehung auf Augenhöhe wenig gemein hat. (Dies beginnt im Grunde schon mit der Hochzeit, bei der die Frau wie ein Geschenk verpackt vom Vater an den künftigen Ehemann übergeben wird; auch die Aufforderung des Pfarrers, dass der Bräutigam die Braut küssen darf, degradiert diese letztlich zum willenlosen Objekt.)
All dies wird jedoch durch gesellschaftliche Konventionen verstärkt. Frauen werden sich jedoch dieser Ungerechtigkeiten, mit denen sie tagtäglich konfrontiert werden, durch den sich ausweitenden Feminismus immer mehr bewusst.

Persönliche Kritikpunkte:
Beim Lesen hat man des Öfteren das Gefühl, dass sich die Autorin aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen in einen regelrechten Männerhass hineinsteigert und hier in „Kill-Bill“-Manier zum persönlichen Showdown ansetzt.
Auch der ständige Versuch, schwule, nonbinäre, queere Personen mit ins Boot holen zu müssen, ist ein wenig mühsam, aber offenbar ist dies in der heutigen Zeit notwendig, um einer eventuellen Anfeindung vorzubeugen.

Fazit:
Ein Buch mit vielen interessanten Denkansätzen, das einem manchmal aus der Seele spricht, einen an einigen Stellen sogar schmunzeln lässt, weil man sich ertappt fühlt. Aber alles in allem brandaktuell und meiner Meinung nach lesenswert!