Ein wichtiges Buch

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Die Autorin hinterfragt die Institution der Ehe, da sie in ihren Augen dazu dient, das patriarchalische System zu stützen und Frauen in bestimmte Rollen zu drängen. Sie konzentriert sich in ihren Ausführungen auf die heterosexuelle Ehe. Selbstverständlich ist ihr bewusst, dass es andere sexuelle Orientierungen und Beziehungen gibt.
Die Sehnsucht nach der Ehe wird durch Narrative und Mythen erzeugt, denen wir alle unterliegen. Ein Bespiel sind die typischen Rollenbilder in Märchen, die auch heute noch erfolgreich vermarktet werden, z.B. in Disney-Verfilmungen oder Musicals.
Und die Ehe ist eine mächtige kulturelle Norm. Die Rollen von Mann und Frau sind definiert. Vor allem für Frauen scheint der gesellschaftliche Erwartungsdruck hoch zu sein. Ihr Selbstwertgefühl definiert sich über ihren Beziehungsstatus. Da ist die Ehe quasi die „Krönung“. Ehefrau oder Mutter sind Identifikationsmerkmale auch in Social Media-Portalen von Frauen.
Noch im letzten Jahrhundert war die Ehe vor allem für Frauen eine gesellschaftliche und finanzielle Notwendigkeit, da ging es nicht um die große Liebe.
Heute wird die Liebe nun gedanklich kombiniert mit der Ehe und wird als größte Erfüllung prophezeit. Um diese Erfüllung zu finden, sind Frauen nach wie vor bereit, alles zu tun und mehr Kompromisse einzugehen als ihre Partner.
Für Männer gibt die Ehe die Sicherheit, jemanden zu haben, der sich um ihn kümmert. Die Machtposition des Mannes in der Ehe wird noch verstärkt dadurch, dass er in der Regel den größeren finanziellen Beitrag leistet.
Die Ehe wird in der Regel mit Kinderwunsch assoziiert. Auch hier sind die Denkmuster gesellschaftlich und kulturell vorgegeben.
„Während die Gedankenwelt der Frauen auf die Liebesbeziehung eingegrenzt wird, fühlen sich Männer durch die Liebe eingeengt und träumen heimlich davon, ihre Freiheit wiederzugewinnen und aus dem ehelichen Rahmen auszubrechen.“
In den Märchen wird leider verschwiegen, wie die Zeit zwischen der Hochzeit und dem Schluss „…und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende“ aussieht.
Es gibt Untersuchungen über sogenannte „Post-Hochzeitsdepressionen“, in die viele Frauen verfallen.
Die Idee der romantischen Liebe, monogam, heterosexuell und von Dauer, ist prägend für unsere Vorstellungen eines glücklichen Lebens. Singles sind unvollständig, kurze Beziehungen gelten als gescheitert, Goldene Hochzeiten werden gefeiert.
Viele Paare bleiben aber auch zusammen, wenn die Liebe verloren gegangen ist. Das Single-Leben macht Angst, der soziale Druck ist groß, häufig besteht eine finanzielle Abhängigkeit, der Freundeskreis ist ein Paare-Freundeskreis und man bleibt „wegen der Kinder“ zusammen.
Frauen verwenden ihre gesamte emotionale Energie darauf, dass das Ehekonstrukt hält, Schränken sich und ihre Bedürfnisse ein, kümmern sich um den Partner und seine Bedürfnisse. Sie lesen Beziehungsratgeber und versuchen, Männer zu verstehen. Und sie wollen eine „gute Mutter“ sein. Auch dazu gibt es klare gesellschaftliche Vorstellungen.
Das Idealbild des Paares in der Gesellschaft, der glücklichen Familie, schließt alle Menschen aus, die dem nicht entsprechen. Diejenigen, die dieser Norm nicht entsprechen, sind weniger „wert“.
Auch der Mythos, dass Kinder in der klassischen Kleinfamilie die besten Bedingungen haben, um gesund aufzuwachsen, muss hinterfragt werden. Kindesmissbrauch und Gewalt gegen Frauen finden in der Regel im häuslichen Umfeld statt.
„Eheschließung und Mutterschaft sind die am meisten gefeierten Ereignisse im Leben einer Frau.“
Care-Arbeit, nennt man die tägliche Arbeit, die in einem Haushalt anfällt, in einer Ehe wird sie in der Regel von der Frau erledigt, oft zusätzlich zu ihrer Berufstätigkeit. Care-Arbeit ist unbezahlt und wird aus Liebe geleistet. Und sie ist gesellschaftlich notwendig, damit Männer sich voll und ganz ihrem Beruf widmen können und zum Wirtschaftswachstum beitragen. Dieses Prinzip wird vom Staat durch steuerliche Entlastung belohnt.
Die Autorin vertritt, die These, dass unsere Vorstellung von Sexualität nach wie vor von Männlichkeit und „Penetration“ geprägt ist, Heterosexualität gilt als die „Norm“. Die Frau ist auch sexuell im Besitz des Mannes. Das „sexuelle Kapital“ der Frau, Ihr aussehen, muss gepflegt werden und erhalten werden, damit sie am „Markt“ vermittelbar ist. Es ermöglicht ihr gesellschaftlichen Aufstieg. Das Problem der Schwangerschaftsverhütung ist nach wie vor bei den Frauen und bei der Legalisierung von Abbrüchen sind sie auf das Wohlwollen männlicher politischer Entscheidungen angewiesen.
Es ist nicht leicht, dieses komplexe Buch zusammenzufassen. Es liefert einen großen Überblick über die Rollen von Mann und Frau, es gibt historische Exkurse, zahlreiche AutorInnen werden zitiert, die aktuelle Feminismus-Diskussion findet Berücksichtigung. Der Blick wird erweitert auf LGBTQI+- Community, kulturelle, religiöse, soziale Unterschiede.
Was ist das Fazit?
Wenn es denn um eine Liebesbeziehung zwischen 2 Menschen geht, ist sie auch ohne Ehe möglich.
Die Autorin empfiehlt, die Sehnsucht nach Liebe nicht auf die Paarbeziehung zu fokussieren, sondern auf Gemeinschaften zu erweitern. Kinder, Freunde, andere Beziehung können das Leben bereichern. Alternative Lebensentwürfe, die nicht auf biologischen Bindungen beruhen, fördern das Zusammenleben mehrere Menschen. Die Trennung zwischen bezahlter und unbezahlter (Care-Arbeit) muss aufgehoben werden, die Abschaffung des Ehegattensplitting, die Einführung einer „feministischen Lohnlückensteuer“, bessere und bezahlbare Kinderbetreuungsmöglichkeiten, Bezahlung der Care-Arbeit, sind Möglichkeiten, um eine „gerechtere Welt“ für alle zu schaffen.
Das Buch ist inspirierend, es bestätigt vieles von dem, was ich über die Ehe denke.
Aber natürlich bin ich auch den gesellschaftlichen Normen gefolgt…..Gleich mehrmals.
Mittlerweile bin ich irritiert, wenn junge, gebildete Frauen den Traumbildern einer glücklichen Ehe hinterherlaufen und die Rollen von Mann und Frau in der Gesellschaft immer noch so traditionell betrachtet werden.
Wir brauchen mehr solcher Bücher, vielleicht ein wenig kürzer…..