Eine umfangreiche Analyse zu Ehe, Liebe und Geschlecht

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oksana195 Avatar

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Als ich das Buch das erste Mal in den Händen hielt, war ich erstaunt, wie umfangreich es wirkt. Das Buch fällt auf jeden Fall auf - allein schon wegen der Farbauswahl und Gestaltung der überschriebenen Buchstaben. Sehr stimmig, v.a. in der Gegenüberstellung zum Inhalt. Vielleicht hätte aber Lila eher gepasst als Pink (aber das ist ein Detail).
Beim näheren Einsteigen ins Buch wurde klar, warum es so umfangreich ist: es ist so viel mehr als ein Buch zu Ehe und Liebe (wie die Titel es bereits vorgeben). Die Autorin Emilia Roig beschreibt und dekonstruiert nicht nur die Hintergründe und Problematik rund um die Ehe - sie analysiert und nimmt das komplette binäre Geschlechtersystem (und gefühlt alles, was irgendwie damit zusammenhängt) auseinander. Viele der genannten Punkte ihrer Analyse und ihrer Lösungsvorschläge am Ende des Buches sind zwar nicht neu und Menschen, die sich mit Feminismus, Kulturwissenschaft oder Gender Studies etwas auskennen, werden vieles wiederentdecken. Die Zusammensetzung und der Übertrag aber auf die Institution Ehe ist dabei wirklich gelungen.
Unklar blieb mir allerdings, wie sie selbst ihr Werk sieht: als Utopie, Manifest oder wissenschaftliche Arbeit? Dadurch fiel es mir manchmal schwer, die Intention des Buches besser zu verstehen. Beim Lesen der Einleitung hätte ich auf eine Utopie oder ein Manifest getippt - und ich glaube, damit könnten viele Leser:innen abgeschreckt werden (was schade wäre, da noch viele spannende Kapitel folgen). Aber Sätze wie “Es ist nicht so, dass der Feminismus Männer dringend braucht” sehe ich eher kritisch, wenn sie (nach meinem Verständnis zumindest) Veränderungen bewirken will, was nicht ohne Mehrheiten umzusetzen wäre und hiermit lediglich Gruppen gegeneinander ausgespielt werden. Der Stil der weiteren Kapitel bricht allerdings mit dieser Radikalität und wird wissenschaftlicher / analytischer, was ich als sehr bereichernd empfunden habe. Abgerundet wurden viele der Beschreibungen und Analysen mit persönlichen Beispielen der Autorin. Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass dies missverständlich und missbilligend von einigen Leser:innen und Kritiker:innen aufgefasst werden könnte. Auch wenn sie klarstellt, dass ihre individuellen Beispiele vielmehr Hinweise auf das System dahinter sind.
Lassen sich Leser:innen aber darauf ein und sind offen für ein teils radikales Buch, werden sie mit einer sehr umfangreichen und gut gelungenen Analyse belohnt.