Pflichtlektüre!

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»Anti-asiatischer Rassismus ist ein wichtiger Teil der Rassismusdebatte und darf kein Nischenthema mehr sein, wenn wir gemeinsam für eine gerechtere Welt kämpfen möchten« (S. 216).

Hami Nguyen schreibt in ihrem Buch »Das Ende der Unsichtbarkeit. Warum wir über anti-asiatischen Rassismus sprechen müssen« unter anderem über unfreiwilligen Aktivismus, der aus einer Alternativlosigkeit entstanden ist, räumt mit Mythen und Vorurteilen auf und spielt geschichtliches Hintergrundwissen ein.

Dabei rückt die Autorin ihre eigene Lebensgeschichte immer wieder in den Fokus – Hami Nguyens Mutter flieht mit ihr, als sie gerade mal zwei Jahre alt ist aus Vietnam nach Deutschland. Ihr Leben ist nicht nur durch unmenschliche Situationen bei Behördengängen geprägt, auch Zuhause erlebt die Autorin prekäre Zustände. Ihr Vater ist drogen- und spielsüchtig, da sein Alltag durch eine fehlende Arbeitsstelle perspektivlos wirkt. Die strukturell bedingte Abwärtsspirale nimmt dadurch für die ganze Familie ihren Lauf.

»In der Grundschule merkte ich schnell, das ich in zwei Welten lebte. Zu Hause wurde Vietnamesisch gesprochen, gegessen und gelebt. Zu Hause war ich ein Kind mit Erwachsenenproblemen auf meinen Schultern In der Schule war ich ein Kind, das irgendwie anders war, aber dort ging es einfach nur um mich und meine Bedürfnisse. […] Ich schämte mich für unser Leben zu Hause. […] Das änderte sich im Laufe meiner Kindheit nie« (S. 61).

In Hami Nguyens Buch wird an vielen Stellen deutlich, dass ihre Erlebnisse stellvertretend für viele vietdeutsche Familien stehen können. Nicht nur in ihrer Familie geht es um den Wunsch anzukommen, anstatt sich von Duldung zu Duldung hangeln zu müssen – also alle drei Monate bei der Ausländerbehörde einbestellt zu werden. Erlebtes wird an vielen Stellen des Buches mit Forschungsergebnissen unterfüttert.

Sprachlich ist dieses Buch vielfältig aufgebaut. Zu Beginn setzt sich die Autorin mit diversen Begrifflichkeiten auseinander und definiert diese. Durch die persönlichen Schilderungen erhält die Lektüre eine emotionale Komponente und die stichhaltigen Analysen verleihen dem Gelesenen einen Sachbuchcharakter.

Hami Nguyen liefert ein starkes Sachbuch, zu einer bisher vernachlässigten und verharmlosten Thematik. Ihr Werk ist ein erster Schritt, sich mit anti-asiatischem Rassismus auseinanderzusetzen und in eine Lebensrealität zu blicken, die in Debatten bisher oft ausgeklammert wird.

CN: Rassismus, Diskriminierung, rassistische Gewalt, Polizeigewalt, Mord, Suchterkrankungen, Drogenkonsum, sexualisierte Gewalt.