Geschichte aus einer Zeit in der das Mittelalter tatsächlich dunkel war

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kleine hexe Avatar

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Geschichte aus einer Zeit, in der das Mittelalter tatsächlich dunkel war und das Europa, so wie wir es heute kennen noch lange nicht existierte. Das mächtige römische Reich war zersplittert, Ostrom konnte sic zwar behaupten, wurde aber immer wieder von Wikingern heimgesucht, wie übrigens das restliche Europa auch. Rom, Paris, ganz England, küstennahe Städte oder solche die an befahrbaren Flüssen gelegen waren, niemand war vor den Drachenbooten sicher. Im Mittelmeer kamen noch die sarazenischen Piraten hinzu. Gar nicht so einfach im ersten Jahrtausend nach Christus zu leben.
Donna W. Cross schrieb einen Roman vor einigen Jahren der unter den Liebhabern historischer Romane Furore machte. Leider liefen ihr ein paar historische Ungenauigkeiten unter, aber nichtsdestotrotz war das ein gelungenes Buch, durchaus lesenswert. Und dann griff Helga Glaesener das Thema auf und setzte es auf grandiose Art um. Es geht um die Frau die ihren Mann steht, sich in einer primitiven Männerwelt behauptet und unglaubliches leistet.
Gerold, Markgraf von Villaris und Päpstin Johanna aus Donna W Cross‘ Roman tauchen auch hier auf. Johanna wird nach Papst Leos Gifttod zum neuen Papst gewählt, Gerold ist der Hauptmann der päpstlichen Garde. Sie werden zum Liebespaar und Johanna tut alles in ihrer Macht Liegende, das Leben der Römer zu verbessern. Zu ihnen stoßen nun Freya, Gerolds Enkelin und Kasimir, ihr Begleiter. Gerold und Johanna nehmen die beiden auf, alles könnte gut sein, wenn nicht eine Intrige und Mordanschlag Gerold töten würde und Johanna mitten auf der Straße eine Fehlgeburt erleidet und auch stirbt. Freya und Kasimir müssen fliehen, Aristid, ein päpstlicher Gardist nimmt sie mit sich. Aus Freya und Aristid wird ein Paar, alles könnte so schön sein, wenn nicht Hugo Abbas ihnen nicht auf den Fersen wäre. Freya gelingt es zu fliehen, zusammen mit der kleinen Cosima, der Tochter der getöteten Freundin. Sie finden Zuflucht in einem Nonnenkloster auf dem Frauenchiemsee wo Johannes Fähigkeiten als Heilerin bald anerkannt und geschätzt werden. Ohne es zu wollen, wird Johannas Schicksal immer wieder verwoben mit den Mächtigen jener Zeit, mal König Lothar, mal Hasteinn, der plündernde und mordende Däne, Robert, Graf von Paris oder König Karl der Kahle. Dabei will sie nichts als mit Aristid, Cosima und ihrem kleinen Neffen in Frieden leben. Wenn sie in Frieden lebt und ihrer Berufung als Heilerin folgt, lebt sie als Frau und in Frauenkleidern, wenn, wie so oft, sie mal wieder fliehen oder Aristid oder die Kinder retten muss, zieht sie wieder Männerkleidung an. Als Frau wäre sie in Kriegswirren schutzlos den Männern ausgeliefert, als Mann kann sie sich unbehelligt durchschlagen. Es ist dieses ständige Auf und Ab, dieses permanente Alternieren zwischen friedlichen Leben und höchste Lebensgefahr, das den Roman so lesenswert macht. Die historischen Details, die uns helfen, die Handlung besser zu verstehen und zu verfolgen, zum Beispiel der beiden Inseln auf der Seine die in jener Zeit eigentlich Paris darstellten, oder auch Rom, dass seinen antiken Glanz gänzlich eingebüßt hatte, und die meisten Menschen in ärmlichen Behausungen inmitten ehemaliger Ruinen sich errichtet haben, all dies lässt vor unseren Augen das neunte Jahrhundert erstehen, wie es wirklich gewesen sein könnte.
Spannend erzählt, treibt einen das Buch voran. In manchen Dialogen fallen manchmal zu moderne Ausdrücke, die im damaligen Vulgärlatein, Mittelhochdeutsch oder Altfranzösisch so kaum zu finden waren: „Einkalkulieren“, oder „Finger weg vom König“, „Spion“ und einige mehr. Aber es ist in Ordnung so. Die Geschichte wird hier und jetzt erzählt, auch wenn sie vor 1150 Jahren spielt. Wir können heute das Nibelungenlied auch nicht mehr im Original lesen, brauchen eine moderne Transkription.