Guter eigenständiger Roman

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aennie Avatar

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Freya wird als Sohn eines Wikingers und seiner Sklavin geboren. Bei einem Raubzug wurde ihre Mutter in das Land der Dänen verschleppt und fristet dort seit rund 15 Jahren ein trostloses Dasein, das auch ihre Töchter einschließt. Vor allem die jüngere Tochter Freya hat ein zu helles Köpfchen und einen zu starken Freiheitsdrang, als dass sie nicht gegen die Ungerechtigkeit ihrer Situation aufbegehren könnte, sei es durch Fallenstellen im Wald oder eben die Flucht, als sich die Gelegenheit ergibt. Ihr Ziel ist der Großvater, den sie nur aus den Erzählungen der Mutter kennt. Da das Reisen als Frau im 9. Jahrhundert – und auch zu anderen Zeiten – nicht wirklich möglich, geschweige denn sicher ist, verkleidet sie sich als Junge und macht sich auf den Weg nach Süden. Viel weiter als zunächst gedacht, denn der Großvater befindet sich nicht mehr in Dorstadt sondern in Rom, an der Seite des neuen Papstes, einem sanften, heilkundigen Mann namens Johannes Anglicus. Doch Freya bewältigt auch diese Etappe und trifft tatsächlich auf ihren Großvater. Dann jedoch überschlagen sich die Ereignisse und Freya beginnt einen neuen Lebensabschnitt und die eigentliche Handlung dieses Romans setzt ein. Als Frau, auf der Flucht, in Paris, an der Seite eines Mannes, in der ständigen Gefahr der Wikingerangriffe auf die europäischen Städte an der See und entlang der großen Flüsse.
Denn darum geht es hier, nicht um die Päpstin Johanna, es geht um Freyas Geschichte. Eine Frau im 9. Jahrhundert, die sich aus dänischer Gefangenschaft befreit, diese Bedrohung bestimmt aber ihr Leben weiterhin. Hinzu kommen die „üblichen“ Gefahren der Zeit, sowie Konflikte und Intrigen rund um die Mächtigen, die Erbfolgen und ihre Beschützer, denen sich alle ausgesetzt sehen, die im Zentrum des Geschehens sind, dadurch, dass sie irgendeine Position bekleiden. Freya meistert dieses Leben mit viel Mut, Interesse an Heilkunde und Loyalität und geht ihren Weg. Diese Charaktereigenschaft teilt sie mit der legendären (Romanfigur) Päpstin Johanna, die hier als „Vehikel“ dient, die Geschichte um Freya in Gang zu bringen.
Eine Fortsetzung zum Erfolgsroman „Die Päpstin“ ist es nicht, braucht es nicht zu sein, fraglich ob es Sinn machen würde, die Geschichte der Päpstin ist mit ihrem Tode auserzählt. Auch „das Erbe“ – naja. Wenn Freya vielleicht Bischof von Paris geworden wäre, ja sie verkleidet sich als Mann – sehr zeitlich begrenzt. Ja, sie kann lesen und interessiert sich für Heilkunde, aber bitte. So ist es einfach eine eigenständige Geschichte, und die funktioniert prima. Die Geschichte um Päpstin Johanna ist nur eine Episode im Gesamtplot, diese in das Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken, finde ich mittelprächtig. Die Machtverhältnisse und Erbfolgen Ende des 9. Jahrhunderts und die Bedrohung durch die Nordmänner spielen eine viel entscheidendere Rolle. Ich vermute mal, man sieht es dann mehr als Zugpferd für das Marketing, aber das ist für die Geschichte - für die Verkaufszahlen mag es anders sein -, vollkommen unnötig. Noch nicht ärgerlich, aber eben unnötig.
Fazit: für mich ein Ausflug ins Genre Historischer Roman, der sich durchaus gelohnt hat. Liest sich flüssig, spannend und interessant. Die Bezeichnung „Fortsetzung“ ist vollkommen überzogen, es wird das Motiv der Päpstin Johanna aufgegriffen, mehr nicht. Es geht um eine Frau im Mittelalter, ihr Schicksal, ihre persönliche Verwicklung in historische Ereignisse, das funktioniert und das reicht auch vollkommen aus, um eine tragfähige Geschichte zum Leser zu transportieren.