Poetischer Wohlfühlroman

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evaczyk Avatar

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Mit "Das Fenster zur Welt" hat Sarah Winman einen poetischen Wohlfühlroman mit märchenhaften Elementen geschrieben, in dessen Mittelpunkt Liebe und Freundschaft stehen - die Gefühle für andere Menschen ebenso wie die Liebe zu Kunst und Literatur, eingebettet in die Schönheit von Florenz und der Toskana. Hier ist es auch, wo sich in der Schlussphase des Zweiten Weltkriegs die 64 Jahre alte Kunsthistorikerin Evelyn und der junge britische Soldat Ulysses treffen und der aus dem Londoner East End stammende Ulysses zum ersten Mal Zugang zur Kunst der Renaissance erfährt.

Die Handlung folgt den beiden, die durch soziale Herkunft ganz unterschiedlichen Welten angehören. Evelyn, die Kunst und Frauen liebt, gerät dabei zunächst ein bißchen in den Hintergrund, während sich der Fokus auf Ulysses Welt in Hackney richtet - der Pub, in dem er ein Auskommen findet, seine Frau Peg, die sich während Ulysses Abwesenheit in einen amerikanischen Soldaten verliebt hat, von ihm ein Kind bekommen hat und irgendwie eine verlorene Seele ist, der alte Cress, irgendwie die gute Seele des Viertels, ein Mann, der mit Bäumen spricht, der cholerische Pubwirt Col und seine geistig behinderte Tochter, der Musiker Pete, der ein bißchen Boheme in die Kneipe bringt. Nicht zu vergessen Claude, der Papagei, des Shakespeare zitiert und ein eigenes Bewusstsein hat.

Ein unerwartete Erbschaft bringt Ulysses zurück nach Florenz - und er geht nicht alleine, sondern wird begleitet von Cress, Claude und der "Kleinen", Pegs mittlerweile acht Jahre alter Tochter. Peg, von der er längst geschieden ist, hat ihm die Vormundschaft über die kleine Alys hinterlassen, die künstlerisch talentiert und eine alte Seele in kindlicher Gestalt ist.

Zwischen London und Florenz spielt die Handlung, wobei nicht immer so viel passiert als vielmehr harmoniert. Freundschaften werden geschlossen, die Verbindung zur Vergangenheit gepflegt, zugleich spiegelt mit den vergehenden Jahren der Roman auch den Kulturwandel wider, von Beatnik-Zeit bis Anti-Vietnamkrieg-Bewegung. Es wird Jahrzehnte dauern, bis Ulysses und Evelyn sich wiedersehen werden, auch wenn sie sich oft nur knapp verpasst haben. "Das Fenster zur Welt" ist auch ein Appell für Toleranz, Menschen so zu nehmen, wie sie sind und verschiedenen Arten von Liebe das gleiche Verständnis entgegenzubringen.

Ist das mitunter allzu rosarot gezeichnet und ein bißchen kitschig? Möglicherweise, aber es passt zu diesem Buch, dass ein bißchen wie eine heiße Schokolade mit Sahne ist, versöhnend und tröstend mit einer Welt, die meist nicht so ist wie im Roman.