Als Hörbuch noch fünf Sterne

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elke seifried Avatar

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»Er gehört zu dir, Nana«, versprach mein Vater, »und er kommt mit uns.« gilt als Nana Reja, die der Familie treue Dienste erwiesen und eigentlich ihren Schaukelstuhl auf der Hazienda La Amistad sonst nicht mehr verlässt, unter einem Teppich aus wimmelnden Bienen einen Säugling mit Gaumenspalte findet. Nana Reja päppelt den kleinen Jungen auf und Francisco und Beatriz Morales nehmen das Findelkind entgegen zahlreicher Bedenken vieler im Ort bei sich auf.

Als Hörer bekommt man hier die Geschichte dieser Familie, die Simonopio nicht nur aufnimmt, sondern auch lieben lernt, geboten. Man wird Zeuge vieler Szenen, die die innige Beziehung zwischen den Familienmitgliedern und Simonopio ganz ohne Worte ausdrücken können. Simonopio, der nur mit seinen Bienen spricht, hat zudem eine ganz besondere Bindung zur Natur, die man intensiv miterleben darf. Da die Geschichte zu Beginn des 20. Jahrhunderts spielt, muss die Familie Morales nicht nur der mexikanischen Revolution, sondern auch der Spanischen Grippe und einer neuen Landreform trotzen. Eine gute Prise Spannung erhält die Geschichte durch einen neidischen Landarbeiter der nicht nur den Besitz, sondern zunehmend auch das Leben bedroht. Aber mehr soll gar nicht verraten werden.

Die Autorin hat eine ruhige, leise Erzählweise die mit unheimlich vielen Bildern äußerst atmosphärisch beschreibt. Der Roman wird aus zwei Perspektiven erzählt. Zum einen von Beatriz und Francisco Morales‘ Sohn, Francisco, der sich, inzwischen alt geworden, an seine Kindheit mit Simonopio erinnert, zum anderen von einem neutralen Erzähler, der die Geschehnisse noch einmal distanziert betrachtet, den einen oder anderen fürs Verständnis notwendigen Zusammenhang hinzufügt und auch den historischen Hintergrund beleuchtet. Dadurch entstehen teilweise Überschneidungen, die fast zur Gefahr für kleine Längen werden. Aber es sind die leisen Töne, die zwischen den Zeilen zu finden sind und die mich nicht nur einmal nachdenklich gemacht haben, die mich trotz allem immer aufmerksam hören haben lassen. Neid, der Menschen zerfressen kann, wird ganz oft transparent oder die Tatsache, dass wir Menschen oft nur das sehen, was wir sehen wollen, sind nur zwei Beispiele dafür. Sehr emotional versteht die Autorin auch die im Gegensatz dazu stehende tiefe Verbundenheit zwischen Menschen, Nana Reja, der Familie und Simonopio zu zeichnen. Erwähnenswert ist auch die Botschaft, sich wieder mehr auf die Natur zu besinnen, die mit dem Bienenjungen und seiner Verbundenheit mit dieser und besonders seinen Bienen hier so gelungen zum Ausdruck kommt. Gut hat mir zudem die feine Prise Humor gefallen, die mich immer wieder mal zum Schmunzeln gebracht hat, wofür Szenen und Dialoge wie, »Was ist dir passiert, Lázaro? Draußen haben sie erzählt, du seiest von den Toten zurückgekehrt.« »Das stimmt, Herr Doktor. Mir war so langweilig da, dass ich gedacht hab, besser, ich geh wieder.« »Du hast ganz allein entschieden zurückzukommen?« »Mithilfe Gottes und seiner Engel natürlich«, warf der Pfarrer ein. »Ich hab die ganze Zeit aufgepasst, Herr Pfarrer, ob die Engel kommen und mir sagen, wo ich hingehen soll, aber da kam keiner. Also hab ich das allein entschieden, wer sonst?« gesorgt haben.

Simonopio, den mit seinen Bienen stets eine Spur Magie umgibt, stattet die Autorin ganz ohne gesprochene Worte mit unheimlich viel Zuneigung und Dankbarkeit aus. Er ist äußerst individuell und besonders detailliert gezeichnet. Aber auch allen anderen Darstellern verleiht sie eine gute Portion Profil und lässt sie sich authentisch verändern, beim enttäuschten Sohn Francisco angefangen, der nach so langer Zeit einiges relativieren muss, bis hin zu Anselmo Espiricueta, für den die Existenz des Jungen ein ganz besonders spitzer Dorn im Auge ist.

Äußerst gelungen empfinde ich die Hörbuchausgabe, die ohne Kürzungen auskommt. Die sich wechselnde Erzählperspektiven werden durch die Tatsache, dass hier zwei verschiedene Sprecher am Werk sind perfekt umgesetzt. Ich habe sowohl Uve Teschner als auch Reinhard Kuhnert, beide mit angenehmen, unaufgeregten Stimmen ausgestattet, sehr gerne zugehört. Die zwei Erzähler stehen sich zudem in nichts nach, wenn es darum geht, die Atmosphäre und die Stimmungen gelungen zu transportieren. Der Wechsel der Sprecher macht auch die eine oder andere Wiederholung meiner Meinung nach recht gekonnt wett. Sicher haben die beiden sehr dazu beigetragen, dass mir das Buch insgesamt gut gefallen hat, selbst gelesen wäre mir wohl die eine oder andere Länge zu viel gewesen.

Alles in allem bekommt das Hörbuch daher von mir noch fünf Sterne, auch wenn der Roman alleine diese wohl eher nicht bekommen hätte. Aber der akustische Ausflug in eine märchenhafte Erzählung, etwas das sonst eigentlich so gar nicht zu meinen Lesevorlieben gehört, war tatsächlich eine willkommene Abwechslung.