Großartig

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gkw Avatar

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Linares, eine Kleinstadt in Mexiko, 1910. Die alte Nana Reja findet unter einer Brücke ein Baby, von Bienen umschwärmt. Die Gutsbesitzer Francisco und Beatriz Morales, bei denen sie lebt, nehmen den Jungen bei sich auf, versorgen und lieben ihn wie ein eigenes Kind. Sie nennen ihn Simonopio. Wegen einer Missbildung wird er nicht sprechen, manche halten ihn deswegen für geistig zurückgeblieben und die abergläubische Dorfbewohner beobachten ihn mit Argwohn. Die Bienen werden seine ständigen Begleiter bleiben und er hat eine besondere Beziehung zur Natur. Er weiß, wann Frost und Regen kommen und er wird seine ungewöhnlichen Fähigkeiten zum Nutzen seiner Familie einsetzen, um ihnen durch die Wirren der mexikanischen Revolution und der spanischen Grippe zu helfen, aber er wird sie nicht vor allem bewahren können.
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Ich gebe zu, meine Inhaltsbeschreibung hört sich eigenartig und auch kitschig an. Also habe ich es schlecht gemacht, denn das Buch ist nicht kitschig.
Tatsächlich ist es ein großartiger, generationenübergreifender Familienroman, in dem eine Familiengeschichte einerseits mit historischen Fakten, andererseits mit einem Hauch Magie verwoben ist. Vor dem Hintergrund der mexikanischen Revolution spielt sich das Leben der Familie Morales ab mit Schicksalsschlägen aller Art, mit Liebe, Hass, politischen Unruhen. Die Geschichte wird aus wechselnden Perspektiven erzählt, mehr oder weniger chronologisch, aber es gibt hin und wieder leichte Vorgriffe oder Rückblicke. Anfangs verwirrten mich die Personen und mir fehlte eine gewissen Übersicht, aber das legt sich schnell und spielt später keine Rolle mehr.
Es ist eine sehr bildliche Sprache und sie spricht alle Sinne an, man taucht völlig ein in die Düfte und Geräusche, man hört die Bienen, riecht den Duft der Blumen und Bäume, schmeckt den Honig, spürt die Hitze.
Es ist leicht und brillant erzählt, oft auch humorvoll, so zum Beispiel, als die Dorfbewohner glauben, ein Toter sei wieder auferstanden.
Weite Teile des Buches nimmt alles seinen ruhigen Gang, aber es tauchen immer wieder Andeutungen auf, die auf spätere Ereignisse und Gefahren hinweisen. Dann im hinteren Teil werden die Kapitel kürzer, das Handlungstempo nimmt zu und die Spannung steigt. Ganz großartig und eindringlich war für mich die Szene eines Sterbenden mit den Gedanken und Eindrücken, die er in seinen letzten Minuten hat.
Insgesamt eine wunderbare Geschichte, großartig erzählt. Sie entführt in eine Welt voller Naturerlebnisse und Magie, sie lässt uns eintauchen und führt uns hinaus aus der Realität: ein Urlaub der besonderen Art, den wir in dieser Zeit gut brauchen können. Für mich hätte das Buch auch gerne ein paar Hundert Seiten mehr haben können.