Leider nicht so gut wie erwartet

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
bedard Avatar

Von

Dieser Roman lässt mich ein bisschen ratlos zurück.

Auf 480 Seiten erzählt die Autorin in einem ausschweifenden, angenehm lesbaren Schreibstil die Geschichte der mexikanischen Großgrundbesitzerfamilie Morales und dem von ihr adoptierten Simonopio Anfang des 20. Jahrhunderts.

Unter einem Busch wurde der mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte geborene Säugling neben einer Bienenwabe gefunden und trotz geringer Überlebenschancen von der alten Nana Reja hochgepäppelt. Die Bienen bleiben Simonopios ständiger Begleiter und werden ihn auch in der Zukunft auf seinen ausgedehnten Streifzügen durch die Natur leiten. Während die Familie Morales den Jungen in ihr Herz schließt, lehnt ihn die Dorfbevölkerung ab. Insbesondere der Landarbeiter Espiricueta sieht ihn als Ausgeburt des Teufels, die vernichtet werden muss.

Der Roman behandelt anhand dieser Familiengeschichte die Auswirkungen der mexikanischen Revolution und schildert durchaus anschaulich den grausamen Ausbruch der Spanischen Grippe in Linares. Dabei liegt der Fokus eindeutig auf dem Leid der Privilegierten und beschreibt deren Handeln zu einseitig als wohltätig und auch der Erhalt des väterlichen Erbes zum großen Teil zum Nutzen Aller. Insbesondere im späteren Verlauf bekommt für mich die Charakterisierung des Bösen in Gestalt Espiricuetas einen faden Beigeschmack. Er verkörpert alles Negative, was ein Mensch zu tun imstande ist. Demgegenüber wird kritiklos das Handeln des reichen Großgrundbesitzers beschrieben und seine Strategien, sein Land vor der Enteignung zu retten. Hier hätte ich mir einen deutlich differenzierteren Blick auf die realen historischen Ereignisse gewünscht, ohne die damals begangenen Gräuel gegenüber den Besitzenden verharmlosen zu wollen.

Insgesamt sind mir einige der Charaktere zu verschwommen und nicht wirklich greifbar, andere hingegen schon ein bisschen zu überzeichnet. Historisch hätte ich mir mehr Informationen und eine differenziertere Betrachtungsweise gewünscht.

Trotz dieser Einschränkungen ist der Roman sehr unterhaltsam geschrieben und ich kann nachvollziehen, warum er so viele LeserInnen überzeugt hat. Für mich ist er aus den genannten Gründen leider nicht das erwartete Lesehighlight.