Zauberhaftes Porträt einer Familie und einer bewegenden Zeit

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waschbaerprinzessin Avatar

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Linares zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts. Die Unruhen der Zeit machen der wohlhabenden Familie Morales zu schaffen: Sie fürchten die Gefahren des Bürgerkrieges, die spanische Grippe kostet zahlreiche Menschen in ihrem Umfeld ihr Leben und die Landreform droht, ihnen ihre Ländereien zu entreißen. Als ihre Amme Reja ein in einen Bienenschwarm eingehülltes Baby mit entstelltem Gesicht findet, zögern die Morales dennoch nicht, es bei sich aufzunehmen. Der kleine Simonopio kann zwar nicht mit Worten kommunizieren, doch wenn er mit seinen Bienen durch die Natur streift, nimmt er Dinge wahr, die allen anderen verborgen bleiben. Zwischen ihm und dem kleinen Francisco Morales entwickelt sich eine enge Freundschaft. Als alter Mann denkt Francisco an seine Kindheit zurück und stellt sich dabei auch den schmerzhaften Erinnerungen an diese Zeit.

Sofía Segovias Erzählstil ist so unglaublich schön wie das Buchcover von „Das Flüstern der Bienen“. Ihre Art zu schreiben spricht alle Sinne an: Man kann förmlich den Duft der Orangenbäume riechen, die karamellisierende Milch auf der Zunge schmecken und das Knarzen der Deckenbalken hören, wenn sie auf märchenhafte Weise die bewegende Geschichte der Familie Morales erzählt. Zu Beginn hatte ich etwas Schwierigkeiten, die verschiedenen Generationen der Familie und die zahlreichen Menschen, die auf der Hazienda der Morales zusammenleben, auseinanderzuhalten und mich in die Sprünge zwischen den Zeiten und Perspektiven einzufinden. Die Verwirrung hat sich aber nach wenigen Kapiteln gelegt und von da an habe ich die magische Reise nach Mexiko sehr genossen. Die Mitglieder der Familie Morales sind mir beim Lesen mit all ihren nur allzu menschlichen Stärken und Schwächen ans Herz gewachsen. Durch die Perspektivwechsel hat Segovia es aber auch geschafft, dass ich die Beweggründe des missgünstigen Espiricueta nachvollziehen konnte, auch wenn dies seine Taten nicht weniger abscheulich macht. Besonders berührt hat mich, während der Corona-Pandemie die Abschnitte über die Spanische Grippe zu lesen. Obwohl die Familie Schicksalsschläge erleidet, lässt sich der Roman mit der Leichtigkeit lesen, mit der die Bienen um die Orangenbäume summen.

Mit „Das Flüstern der Bienen“ hat Sofía Segovia ein zauberhaftes Familienporträt geschaffen, das voller Magie und Poesie steckt und die Lesenden mit auf eine einprägsame Reise ins Mexiko der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts nimmt.