Ziegenmilch und Honig

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owenmeany Avatar

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Verwirrt und erfüllt von Fragen lege ich nach vollendeter Lektüre dieses Buch zur Seite. Von der Leseprobe noch begeistert nahm ich es in Angriff als Vertreterin des magischen Realismus à la Garcia Marquez und Allende, aber da hätte man ein fruchtbares Sujet wie die Bienen mit ihrem Honig differenzierter und fantasiereicher ausschöpfen können. Auch das Leitmotiv „Nähen“ der Mutter steht nüchtern im Raum, was hätte ich sie alles schneidern lassen!

Ein historischer Roman also. Immerhin bekennt sich die Autorin im Nachwort dazu, und es kommen zumindest andeutungsweise Orte, Jahre und Begebenheiten vor wie der mexikanische Bürgerkrieg, die Spanische Grippe und die Revolution, über die ich gerne mehr wüsste.

Dass die Personenzahl überschaubar ist, erleichtert die Lektüre ungemein, genauso wie die Aufteilung in kurze bis kürzeste Kapitel – wie Appetithäppchen, macht das Ganze aber plakativ. Informiere ich mich nicht zusätzlich über die Zeitläufte, ziehe ich folgendes Resultat aus dem Buch: Anfang des 20. Jahrhunderts erging sich die Kaste der Großgrundbesitzer in reiner Philanthropie, wirkte wohltätig für die Armen und wurde dann in ihrer Arglosigkeit von einem kriminellen Mob gnadenlos und heimtückisch um die Ecke gebracht, der das von Ersteren mit fleißigen Händen Aufgebaute tumb mit dem Hintern wieder einriss (den gerade initiierten Orangenhain). So kann ich das einfach nicht glauben. Entweder es spielt für die Autorin in diesem Zusammenhang keine Rolle, oder sie denkt schlicht reaktionär.

Sieht man von dieser meiner Erwartungshaltung ab, kann man mit der Schreibtechnik schon zufrieden sein, wenn ich mir auch treffendere Geschichten mit signifikanteren Details zu den Charakteren wünschen würde, um mich einfühlen zu können: nicht durch Beschreibung der jeweiligen Gefühle, sondern sich entwickelnd aus dem Lebenslauf.

Sehr anrührend erscheint mir Simonopio als Schutzengel mit Hasenscharte, umgeben von einem Bienenschwarm, der sowohl heilsam als auch als Waffe wirkt. Den finalen Showdown hat Segovia filmreif hingekriegt, auch die minutiöse Beschreibung der Trauer geht mir unter die Haut.

Die Autorin zeigt deutlich erkennbares Potenzial, sollte aber ihren intuitiven Stil noch um sorgfältigeren Umgang mit den Fakten bereichern.