Ebenso bedrückend wie beeindruckend!

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Schon Buchbeschreibung und Leseprobe von Katja Keweritschs mit einem sehr schönen Cover versehenen Roman "Das Flüstern der Marsch" (384 S., seit 05. 09. 2025 unter der ISBN 978-3-455-02015-1384 beim Hoffmann und Campe Verlag) gefielen auf Anhieb gut.
Das 3-teilige Buch beginnt mit der Widmung "Für Paul, Stella und Emil" und dem Zitat
​"Vielleicht erzittert in der Gegenwart immer auch die Vergangenheit, ob wir es spüren oder nicht" (Doirann Ni Ghriofa "Ein Geist in der Kehle").
Es handelt von 4 Frauen in 3 im Abstand von jeweils 30 Jahren spielenden, durch Datum und Vornamen leicht unterscheidbaren Erzählsträngen. Zunächst begegnen wir im Mai 2024 Mona. Diese befindet sich anlässlich des 80. Geburtstages ihres Opas Karl gerade mit ihrer Vespa wütend auf dem Weg von Hamburg in ein Dorf nach Schleswig-Holstein. Aus ihrer Beschreibung von Landschaft und Kindheitserinnerungen erkennt man ihre Verbundenheit mit ihrem Zielort. Zwar bessert sich damit auch ihre Laune, aber es wird deutlich, dass das Geburtstagskind sich nicht ihrer Zuneigung erfreut, denn ihrer Meinung nach behandelt er Oma Annemie (Erzählstrang 1964) nicht richtig. Die ist aber verschwunden und Opa wortkarg. Erzählstrang1994 gehört zu Freya, während Janne sich ihren mit Mona teilt. Bald zeichnen sich familiären Beziehungen ab: Annemie ist nicht nur Monas Oma, sondern auch die Schwiegermutter von Janne. Freyas Schicksal mag ich nicht spoilern. Außer Janne wurden die Frauen ungewollt schwanger. Annemie war ledig und minderjährig und wurde von ihren Eltern gezwungen, ihr Kind zur Adoption freizugeben und eine lieblose Ehe mit Karl einzugehen. Schließlich muss man "vor den Leuten" das Gesicht wahren. Aus dieser Ehe gingen 3 Kinder hervor, welche in einem sprachlosen und gefühlskalten Umfeld aufwuchsen, was sich auch auf deren Kinder übertrug. Vor allem Sohn Stefan kommt schlecht weg. Thematisiert wurde auch die Abtreibungsfrage.

Die einzelnen Schicksale machten mich sehr betroffen, zumal viele Dinge "ererbt" und ein wenig erklärbar scheinen. Besonders hinweisen möchte ich auf die am Buchende nach der Danksagung verfasste "Quellennotiz". In ihr erwähnt sie Johanna Haarer,
https://de.wikipedia.org/wiki/Johanna_Haarer
eine Frau, deren Bücher ich selbst im Bücherschrank meiner Mutter vorfand, eine Erinnerung, die mir jetzt wieder eine "Gänsehaut" beschert. Neben netten Dingen wie Strickanleitungen für niedliche Mützchen findet man Erziehungstipps, die viele heutige Verhaltensweisen in einem anderen Licht erscheinen lassen.