Sci-Fi-Noir mit Sogwirkung

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emmamarie Avatar

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Das Ganymed-Fragment präsentiert sich bereits von außen kraftvoll: Das Cover – kühl, futuristisch und atmosphärisch dicht – passt hervorragend zur düsteren Sci-Fi-Noir-Stimmung des Romans. Es vermittelt sofort das Gefühl von Isolation, Gefahr und kosmischer Bedrohung, was sich im Inneren des Buches konsequent fortsetzt.

Die Geschichte selbst ist klassisch angelegt, aber wirkungsvoll umgesetzt: Eine korrupte Zukunftsgesellschaft, ein abgekämpfter Ermittler und ein Mysterium, das das gesamte Sonnensystem ins Wanken bringen könnte. Obwohl das Szenario vertraute Motive bedient, gelingt es Reimer, durch detailreiche Weltgestaltung und starke Atmosphäre eine eigene Note zu setzen. Besonders die heruntergekommene Station Ceres wirkt glaubhaft und bedrückend.

Der Schreibstil ist klar und schnörkellos, manchmal fast schon nüchtern – was allerdings gut zum Noir-Ton passt. Gelegentlich hätte ich mir in emotionalen Momenten etwas mehr Tiefe oder sprachliche Varianz gewünscht, aber insgesamt liest sich der Roman flüssig und spannungsreich.

Alan Bishop als Protagonist ist überzeugend: Er ist abgebrüht, verletzt, zynisch – ohne zur Karikatur zu werden. Einige Nebenfiguren bleiben dagegen etwas blass, was bei der Fülle an Handlungsebenen aber nachvollziehbar ist. Positiv hervorzuheben ist, dass Reimer ethische Fragen – Ausbeutung, Machtmissbrauch, wissenschaftliche Verantwortung – subtil, aber beständig einwebt und dem Buch damit zusätzliche Relevanz verleiht.

Für mich war der Roman besonders interessant, weil er klassische Science-Fiction-Elemente mit einer Detektivgeschichte verbindet und dabei eine spürbare politische Schwere entfaltet. Fans von Hard-Sci-Fi und dystopischen Crime-Plots kommen hier auf ihre Kosten.

Das Ganymed-Fragment ist ein atmosphärisch starker, gut durchdachter Sci-Fi-Thriller, der trotz kleiner Schwächen in Figurenzeichnung und Tempo überzeugt. Empfehlenswert für Leser*innen, die düstere Zukunftsvisionen und moralisch komplexe Geschichten lieben.