Kunst und Einzigartigkeit

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donna vivi Avatar

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Wenn man recht bedenkt, lösen Kunstwerke in jedem Individuum andere Gefühle aus, unabhängig davon, ob die Betrachter die Aussage der Objekte verstehen. Im Großen und Ganzen baut Jessie Burtons Bestseller auf diese Tatsache: Auf große Emotionen um falsch interpretierte Tatsachen, auf Vermutungen, Missverständnisse und verkannte Begabung.

Zwei Protagonistinnen auf zwei Zeitebenen und an zwei Orten – 1967 in London und 1936 in Andalusien – kommen in Berührung mit Kunst, jede auf ihre Art: Olive Schloss, die heimliche Malerin und Odelle Bastien, die Schrittstellerin mit mangelndem Selbstvertrauen. Ein geheimnisvolles Gemälde verbindet die jungen Damen und verwickelt sie in widersprüchliche Abenteuer.

1936 wird das Hauptthema von der Gleichberechtigung und Anerkennung des weiblichen Geschlechts beherrscht, Olive kann sich als Künstlerin nicht behaupten, da ihr schon von Kindheit beigebracht wurde, „dass Kunst nichts für Frauen ist“.

1967 rückt das überwiegend rassistische Verhalten der Londoner Bevölkerung in den Vordergrund, Odelle muss sich überwinden, um zu schreiben und ihre Texte zu publizieren, da sie als eine Schwarze aus Trinidad nicht die gleiche Akzeptanz hat, wie ihre Mitbürgerinnen – weder als Mensch noch als Autorin.

Die bildhafte Sprache lässt die emotionalen Höhepunkte besonders eindrucksvoll erfassen, seien es romantische oder spannende Momente, bittere Missverständnisse oder qualvolle Leiden.

Was die Entwicklung der Geschichte betrifft, so treten unzählige unerwartete Wendungen auf, die die Erwartungen bezüglich der Finale mehrfach neu bewerten lassen. Dennoch: Die ganze Wahrheit um die Entstehung und Bedeutung des geheimnisvollen Bildes eröffnet sich nicht vor allen Romanfiguren, sondern nur vor den Lesern und hinterlässt einen bittersüßen Eindruck.

Die Bedeutung der Kunst und die Betonung der Einzigartigkeit begnadeter Künstlerinnen, so wie Olive und Odelle sind, begleiten die fesselnde Erzählung von Jessie Burton. „Das Geheimnis der Muse“ überzeugt als atmosphärischer Roman mit hohem Anspruch.