So ergreifend wie geheimnisvoll

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"Und noch etwas begegnete mir, etwas Dunkles, das wir alle schon erlebt haben oder unweigerlich erleben werden: der Moment, in dem wir ein für alle Mal erkennen, dass wir allein sind."

Jessie Burton schreibt virtuos, fesselnd und tiefgründig, weswegen ich mir sofort ihren ersten Roman bestellt habe, der mir bisher entgangen war.

In "Das Geheimnis der Muse" lässt sie das London der Swinging Sixties ebenso farbenprächtig lebendig werden wie das Andalusien der Dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts am Vorabend der Revolution. Sie schafft authentische Charaktere, mit denen man mitfiebert. Vor allem die Frauen sind sehr eindrücklich geschildert, obwohl sie sich in Zeiten behaupten müssen, in denen sie weniger gelten als die Männer.

Odelle Bastien kommt 1967 aus der Karibik nach London, um zu arbeiten. Obwohl hochgebildet und schriftstellerisch äußerst begabt, muss sie sich zunächst mit der Arbeit in einem Schuhgeschäft begnügen. Bis die undurchschaubare Marjoreie Quick sie als Sekretärin in einem renommierten Kunstinstitut einstellt. Doch warum reagiert Quick so überaus heftig auf ein Gemälde, das Odelles Verehrer Lawrie dem Institut vorstellt? Und was verbindet sowohl Quick als auch das Gemälde mit der jungen Olive Schloss, deren Familie vor der heraufziehenden Judenfeindlichkeit 1936 in Andalusien Schutz suchte? Ein Tableau immer weiterer Verbindungen entfaltet sich in den Erzählungen, die zwischen den beiden Zeitsträngen wechseln. Dabei gelingt es der Autorin, beide Handlungsstränge gleichermaßen fazinierend zu gestalten.

Man muss kein Kunstliebhaber sein, um von diesem Roman hingerissen zu werden. Es gelang mir erst kurz vor Odelle gegen Ende des Romans, alle Rätsel komplett zu durchschauen. Abgerundet wurde das Lesevergnügen durch ein traumhaft schönes Cover. Dieses Buch hätte durchaus eine Hardcover-Ausgabe verdient.