Von Kunst und Krieg

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lenaliestzuviel Avatar

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Der Roman erscheint in der deutschen Erstausgabe beim Insel Verlag und ist mit 14,95€ recht günstig angesiedelt. Den Leser erwarten 455 Seiten zusätzlich eines exellenten Literaturverzeichnisses zu den im Buch erwähnten Themen. So erhält man direkt Anregungen dazu, sich weiter zu bilden, aber auch Informationen zu den Recherchematerialien Jessie Burtons

Worum geht es?

Im Mittelpunkt der Geschichte stehen zwei ziemlich unterschiedliche Frauen: Auf der einen Seite Odelle Bastien, die aus Trinidad stammt und 1962 nach London gezogen ist, um dort ein neues Leben anzufagen; auf der anderen Seite Olive Schloss, Tochter eines Wiener Kunsthändlers, die mit ihrer Familie 1936 in die andalusische Provinz zieht, kurz bevor der spanische Bürgerkrieg ausbricht.

Der eigentliche Held des Romans ist jedoch ein Gemälde, welches ein Bekannter von Odelle von seiner Mutter geerbt hat und in der Welt große Wellen schlägt, während ein lang vergessener spanischer Künstler wieder entdeckt wird. Wenn Kunst und im Krieg gegeben sind dürfen natürlich auch Liebe und Leidenschaft nicht fehlen, der Leser kommt an dieser Stelle nicht zu kurz und am Ende löst sich auch das Rätsel des Bildes.

Der Roman beruht meines Wissens nach nicht auf einer wahren Geschichte, auch die im Buch genannten Künstler hat es vermutlich nie gegeben, wenn man allerdings die Werke der Zeitgenossen der Künstler betrachtet kann man sich ein ziemlich gutes Bild davon machen, wie die im Buch beschrieben Gemälde wohl aussehen könnten.

Gestaltung

Das Cover des Buches hat zumindest mich von vorn herein überzeugt. Die Farben harmonieren hervorragend miteinander und auch die Illustrationen wirken sehr detailgetreu und machen deshalb neugierig auf den Roman. Tatsächlich tauchen jedoch nur einige Elemente in der Geschichte auf, andere sind vermutlich nur abgebildet, um eine bestimmte Stimmung hervorzurufen.

Der Roman ist in fünf große Abschnitte und einen Nachtrag eingeteilt. Die Abschnitte selbst sind innerlich meist zwei geteilt, dabei berichtet zuerst Odelle aus ihrem Leben in London und anschließend erfährt man, was gerade in der spanischen Provinz passiert.

Jessie Burtons Sprache ist (zumindest in der Übersetzung, für das Original kann ich hier kein Urteil fällen) recht simpel und einfach gehalten. Mit Rückblenden und Beobachtungen nebst Unterhaltungen bleibt sie immer sehr nah an der Geschichte dran, große philosophische Ausschwenkungen sind nicht zu erwarten und auch nicht all zu viel Humor - vor allem zum Ende hin wird das Thema sehr ernst, so dass einem auch nicht zwingend nach Lachen zu Mute ist.

Der Erzählstil ändert sich abhängig von der Zeit - das Jahr 1967 erlebt man direkt durch Odelles Augen in der Ich-Perspektive, das Jahr 1936 aus den Augen eines allwissenden Erzählers, der sich zwar hauptsächlich auf Olive konzentriert aber auch immer wieder in die anderen Figuren und in ihre Gedankenwelt hinein schaut.

Für mich waren viele Themen, die in diesem Buch angesprochen worden, recht neu. Da ich, Asche auf mein Haupt, bisher hauptsächlich Jugendbücher gelesen habe, die meist alle aus ähnlichen Lebenssituationen stammen, fand ich es spannened, eine Geschichte aus den Augen einer Immigrantin aus Trinidad zu lesen. (Die genaue Position der Insel musste ich dann auch noch einmal nachschauen.) Auch über den spanischen Bürgerkrieg wusste ich bisher fast nichts außer eben dem, was man im deutschen Geschichtsunterricht so mitkriegt: Franco = Faschist und von Hitler unterstützt. Alles andere war mir allerdings neu und hat mich auch an vielen Stellen überrascht.

Insgesamt ließ sich die Geschichte auch ohne historisches Vorwissen gut lesen, allerdings hat der Roman mich dazu animiert, mich genauer zu diesem Thema zu informieren und genau dafür sind ja vermutlich die Lektürempfehlungen am Ende auch gedacht.

Insgesamt halte ich "Das Geheimnis der Muse" für ein gutes Buch - teils sehr dramatisch entführt der Roman in eine mir völlig fremde Welt und hat mich dadurch auch verzaubert. Eine emotionale Verbindung herzustellen fiel mir schwer, lediglich Odelle wirkte wie jemand, den ich einigermaßen verstehen konnte. Um es für mich zu einem Lieblingsbuch zu machen fehlte das gewisse Etwas, ein bisschen Philosophie oder Humor oder beides.

Empfehlen kann ich das Buch jedem, der sich für die 30er und 60er Jahre interessiert - eine spannende Zeit, die viel unerwartetes bereit hält. Der Roman ist durch und durch realistisch (zumindest soweit ich es beurteilen kann) und durch die Fülle an Charakteren ist bestimmt für jeden etwas dabei.

Jessie Burtons Geschichte hat mich auch ein paar Tage nach dem Lesen noch nicht losgelassen, weshalb ich vermutlich auch bald ihren anderen Roman, "Die Magie der kleinen Dinge", ins Visier nehmen werde.