Berührende zwischenmenschliche Turbulenzen

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rippchen Avatar

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Sie könnten unterschiedlicher nicht sein, die drei Schwestern Winona, Aurora und Vivi Ann Grey. Seit ihrer Kindheit differieren sie nicht nur in ihrem äußeren Erscheinungsbild, sondern besonders in ihren Charakteren. Vivi Ann ist das unbeschwerte Nesthäkchen, das mit einer eigensinnigen Leichtigkeit das Leben meistert. Die enge Bindung zu ihrem Lieblingspferd gehört dazu ebenso wie die Zuneigung ihres Vaters und die Schwärmerei zahlloser Verehrer. Als Naturkind, country-girl und Rodeoreiterin hat sie sich dem Landleben in und mit ihrem ganzen Wesen verschrieben - und damit offensichtlich einen Platz an der Sonne gepachtet. Ganz anders tritt ihre älteste Schwester Winona, angesehene und erfolgreiche Juristin, in Erscheinung. Während sie die geschäftlichen Anforderungen ihrer Klientel offensichtlich mit Bravour meistert, gelingt ihr das Management ihres eigenen Lebens keineswegs. Besonders die seit dem Tod ihrer Mutter schon als Kind ersehnte Anerkennung eines harten, kompromisslosen Vaters kann sie weder auf gefühlsmäßig-privater noch auf geschäftsmäßiger Ebene erlangen. Als kluge, souveräne Ratgeberin und Bindeglied zwischen den beiden rivalisierenden Schwestern fungiert die dritte Schwester: Aurora, gut-situierte Arzt-Ehefrau und Mutter von Zwillingen. Ähnlich wie ihre jüngere Schwester Vivi Ann scheint sie ihre Rolle im Leben gefunden zu haben. Das gilt jedoch nicht für Winona, deren Neid auf die jüngste Schwester seit der Kindheit - mehr oder minder - im Verborgenen schwelt. Gründe dafür sind neben der so unterschiedlichen äußeren Attraktivität vor allem die einseitige Anerkennung des Vaters, die an Vivi Ann abgetretene Vorrangstellung im Elternhaus - und letztendlich der drohende Verlust einer großen Jugendliebe, die gerade neu entflammt. Die Autorin entwickelt hier ein feinsinniges Psychogramm dreier Schwestern. Wunderbar sensibel berichtet sie - zuweilen deutlich zwischen den Zeilen lesbar - von Winonas Gefühlen, ihrem Bangen und Hoffen, ihren Selbstzweifeln, der nagenden Eifersucht und den häufigen Rückschlägen aller Art. Atmosphärisch stark ist auch die Schilderung der Schauplätze rund um Waters Edge, die den dargestellten Charakteren zuweilen entsprechen, ihnen zuweilen aber auch geradezu konträr entgegen stehen. Fazit: Bildreich, anmutig, feinfühlig und berührend-poetisch erzählt, trifft diese Geschichte sicher zahlreiche Leser mitten ins Herz (mich eingeschlossen!) und wird zu einem unterhaltsamen und zugleich nachdenklichen (weil absolut realitätsnahen) Lesevergnügen.