Vielschichtig...

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an_der_see Avatar

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Theo, Sohn von Botschaftern, mit einer nigerianischen Großmutter, aufgewachsen in verschiedenen Ländern, unter anderem in Australien, Kunstgeschichtestudium in England, wohnt und arbeitet im Jahre 2019 in Washington DC. Der Mann seiner Nachbarin ist gestorben, er sieht, dass sie Hilfe beim Entrümpeln ihrer Wohnung braucht, er eilt zu ihr und darf sich als eine Art Belohnung etwas von dem aussuchen, dass sie auf den Sperrmüll gestellt hat. Theo wählt ein Gemälde mit einem Pferd.
Ebenfalls im Jahre 2019 arbeitet Jess als Präparatorin am Smithsonian und wird mit der Arbeit eines auf dem Dachboden vergessenen Pferdeskeletts beauftragt.
Jess und Theo´s Wege kreuzen sich.
Zurück im Jahre 1850 und von dort fortlaufend bis zum Jahre 1865 begleiten wir Jarret. Einen jungen Mann der die Sprache der Pferde mehr versteht, als die Sprache der Menschen. Er lebt mit den Pferden, betreut sie, ist daran beteiligt Pferde zu Rennpferden auszubilden. Während sich sein Vater selber aus der Sklaverei freigekauft hat, muss Jarret als menschlicher Besitz leben. Ebenfalls in der Zeit von 1850 bis 1865 begegnen wir immer mal wieder dem Maler Thomas J. Scott, der von verschiedenen Pferdebesitzern beauftragt wurde, ihre Pferde zu malen und über die Geschehnisse auf den verschiedenen Plantagen aus seiner Sicht berichtet...
„Das Gemälde“ ist ein Roman über den zu erzählen mir schwer fällt. Nicht weil er mir nicht gefallen hat, ganz im Gegenteil, sondern weil viel in dem Roman passiert, sehr viel was mir schwer fiel emotional zu greifen. Auf eine sehr nahe gehende Art, wie ich fand, wird erzählt, was Menschen den Tieren und anderen Menschen antun. Wie viel Leid manche Menschen und Tiere aushalten müssen. Wie viele Schrecken in der Vergangenheit liegen, die sich ihren Weg in die Gegenwart gebahnt haben. Welche Zufälle es geben kann und welche Wege sich wie und wann kreuzen. Und das manche Themen zwar in der Gegenwart sehr zentral sind und von einigen wenigen Menschen angegangen werden, das der Großteil der der Bevölkerung aber in alten Denkmustern verhangen bleibt. Rassismus ist hierbei ein sehr zentrales Thema und das Schicksal von Theo ist ungeheuerlich. Aber nicht nur Theo´s Schicksal sondern auch Jarret´s Lebensweg ist schwer. Und den Umständen entsprechend hat er noch Glück gehabt, im Vergleich zu vielen anderen seiner Weggefährten. Im Grunde zeigt „Das Gemälde“ auch auf, wie ungerecht das Leben ist und wie sehr der eigene Lebensweg von der Herkunft abhängig ist.
„Das Gemälde“ ist aber auch ein Plädoyer für die enge Verbundenheit die ein Mensch zu einem Tier oder mehreren Tieren haben kann, dass Tiere oft die besseren Vertrauten und Freunde sein können und das der Geist eines Tieres nicht unbedingt mit seinem Tod erloschen sein muss.
Die erzählte Geschichte ist intensiv, was auch mit an der Schreibweise der Autorin liegt. Es wird genau so viel beschrieben, dass die eigene Vorstellungskraft aktiviert wird und so ist man beim Lesen mit im Stall, spürt und riecht die Pferde, ist mit Jess bei der Arbeit und bekommt eine sehr genaue Vorstellung davon, was es bedeutet ein Tier zu präparieren, geht mit Jess durch ihr Labor und möchte manche Gerüche lieber nicht aufkommen lassen. Man wandelt durch eine Gemäldeausstellung und kann wieder in einer anderen Szene kaum die Spannung aushalten, die während eines Pferderennens aufgebaut wird, möchte das Leid der Tiere nicht miterleben.
„Das Gemälde“ von Geraldine Brooks ist für mich ein schwer verdauliches Buch, dass einige Probleme unserer Zeit wie auf einem Seziertisch präsentiert und das wieder einmal aufzeigt, dass man in die Vergangenheit zurück muss, um zu verstehen und verändern zu können und das Veränderungen fast immer mit Verstehen einhergehen.