Über das Leben, die Liebe und die Schuld

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petris Avatar

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Schottland 1900 und ein paar Jahre davor.
Es ist eine Sturmnacht, ähnlich wie jene einige Jahre davor, in der Dorothys Sohn Moses verschwand. In dieser Nacht nimmt das Meer aber nichts, sondern es spuckt einen kleinen Jungen aus. Halb erfroren, ähnlich alt wie Moses damals und auch so meinen alle, dass er ihm ähnlichsieht. Joseph, der Fischer, bringt ihn ins Pfarrhaus. Der Junge überlebt und man bittet Dorothy, ihn bei sich aufzunehmen. Anfangs schläft er viel, spricht nicht. Dorothy wehrt sich gegen die Erinnerungen an damals, die durch die Gegenwart des Jungen auftauchen. Aber nicht nur sie. Das ganze Dorf erinnert sich. Und alte Geschichten von Neid, Schuld, unausgesprochene Wahrheiten tauchen in den Köpfen der Bewohner wieder auf.
Es ist eine sehr berührende Geschichte, die hier erzählt wird. Die Menschen in dem kleinen Dorf Skerry leben als Fischer, die Kindersterblichkeit ist hoch. Viele Ehemänner trinken und behandeln ihre Frauen schlecht. Und Kinder werden mit sehr viel Härte erzogen. So vieles wird nicht ausgesprochen.
Mich hat der Roman schon in der Leseprobe in seinen Bann gezogen. Erzählt wird schnörkellos, die Autorin schafft aber starke Bilder. Der Sturm, das Meer, aber auch die Menschen werden lebendig und die Geschichte verwandelt sich in Bilder. Die Charaktere haben sehr viel Tiefgang. Es sind keine Helden, keine perfekten Menschen. Menschen eben mit guten und schlechten Seiten, die über so viele Dinge nicht sprechen, mit ihrer (vermeintlichen) Schuld alleine sind und eigentlich doch nur alle ein gutes Leben wollen.
Sehr gut gefallen hat mir auch der Aufbau. Es wird abwechselnd von „Damals“ (als Moses verschwand) und „Jetzt“ (1900 als der unbekannte Junge auftaucht) erzählt und die Kapitel auch damit überschrieben, wodurch es leicht ist, den Zeitsprüngen zu folgen. Auch die einzelnen Abschnitte der Kapitel tragen Überschriften. Meist stehen Dorothy und Joseph im Mittelpunkt, aber auch andere Dorfbewohner:innen und ihre Beziehung zueinander und auch immer wieder der Laden, der ein zentraler Treffpunkt im Dorf ist.
Ein anspruchsvoller, sehr schön erzählter Roman, der mir auf allen Ebenen gefallen hat. mare bürgt immer wieder für Qualität und verlegt spannende Autorinnen. Dieses Debüt hat überzeugt!