Verstehen

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katma Avatar

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Es gibt diese Bücher, in die man förmlich eintaucht, die einen den Alltag vergessen lassen, weil sie eine fesselnde Atmosphäre haben. „Das Geschenk des Meeres“ von Julia E. Kelly ist für mich eines dieser Bücher. Es ist ein ganz und gar unglaubliches Buch voller Emotionen und mit einem wunderschönen selbstbewussten, atmosphärischen Schreibstil.
In dem Roman geht es hauptsächlich um die Kraft des Neuanfangs, darum etwas wieder aufzunehmen, was man schon längst hätte beenden sollen. Es geht um Vergebung, darum, wie Menschen gut zueinander sein können, wenn sie sich nur ein bisschen mehr anstrengen, und dass man dabei nur etwas gewinnen kann.
Die Geschichte startet in einem Sturm in einem Dorf im Norden Schottlands im Jahr 1900 bei dem ein kleiner Junge an die Küste gespült wird. Der Junge befindet sich im gleichen Alter, sie der Sohn von Dororthy, der örtlichen Lehrerin, der vor Jahren in einem ähnlichen Sturm verschwand. Die Erzählung wechselt dann zwischen dem, was passiert, als das neue Kind gefunden wird und dem Leben im Dorf bis zu diesem Punkt.
Beziehungen, Missverständnisse, Abneigungen und Geheimnisse werden enthüllt und das in einer ziemlich klaustrophobischen Umgebung. Im Mittelpunkt steht Dorothy - eine Außenseiterin, die nie wirklich dazugehört hat, egal wie lange sie schon in der Dorfgemeinschaft lebt. Aufgewachsen ist sie in Edinburgh bei einer lieblosen Mutter mit strengen Regeln, wodurch sie sich zu einer Frau entwickelt hat, die guten Taten gegenüber misstrauisch ist. Ihren Kampf um Akzeptanz verfolgen wir nun. Dorothy ist schwierig, manchmal irrsinnig aber schmerzlich menschlich.
Eine andere Schlüsselfigur ist Joseph, ein Fischer, der ebenfalls ein Außenseiter ist. Ihm wird aus anderen Gründen von der Dorfgemeinschaft nicht vertraut.
Ich fand die Charaktere alle wunderschön beschrieben, auch wenn mich ihr Verhalten oft frustriert hat. Dennoch ergibt alles einen Sinn, wenn man Hintergründe, Sorgen und Zeit und Ort versteht. Auch die Emotionen werden einfühlsam beschrieben, ich blieb am Ende schluchzend zurück. Die Geschichte wird in einem ruhigen, fast kargen, Ton erzählt, er lässt den Ort für sich sprechen, während sich eine zarte Liebesgeschichte zwischen Lügen, Gemeindeklatsch und Geheimnissen entfaltet.
Das Meer ist dabei allgegenwärtig, kraftvoll, unerbittlich. Und dann ist da natürlich das Kind, der rote Faden, der alles zusammenhält.