Die vergiftete Gabe

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ron_robert_rosenberg Avatar

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Ja, es gibt es tatsächlich: das vergiftete Geschenk. Zwar hatte das Wort „Gift“ etymologisch ebenfalls seinen Ursprung in einer Gabe ohne Gegenleistung, aber hier ist keine geschenketechnische Dopplung gemeint, sondern so etwas wie das Trojanische Pferd.
In Gaea Schoeters Roman „Das Geschenk“ sei wohl besser vom Botswanischen Elefanten die Rede. Eigentlich sogar von einer ganzen Herde, 20.000 Tiere stark. Der Grund für diese plötzlichen, zauberhaften Erscheinungen in Deutschland unserer Gegenwart ist das umstrittene Gesetz über das Einfuhrverbot von Jagdtrophäen, allen voran Elfenbein, das in der realpolitischen Welt eine adäquate Reaktion Simbabwes ausgelöst hatte. Los geht es in der Machtzentrale des deutschen Politikzirkus, mitten in Berlin. Anfängliche Verwunderung und tierliebevolle Anteilnahme weichen bald kopfschüttelnder Entrüstung und hasserfüllter Seitenhiebe aus unterschiedlichen populistischen Lagern. Kanzler Winkler muss sich auf einiges gefasst machen, vor allem auf die Flügelspiele des Rechtsaußen Fuchs. Die Grautiere werden bald zum Politikum, und wegen ihrer Masse – und vor allem der Masse ihrer Ausscheidungen – zum unliebsamen Spielball der Interessen.
Ganz erstaunlich gelingt es der Belgierin Schoeters, quasi von der Seitenlinie aus, eine präzise und entlarvende Analyse deutscher Nöte und Wehwehchen. Geschickt werden hochbrisante, aktuelle Kontroversen des gesellschaftlichen Diskurses auf die Dickhäuter projiziert. Manch einer möchte vielleicht rufen: „Nein, das geht auf keine Kuhhaut!“ Nun, auf diese sanften Riesen mit den breiten Rücken passt das ganz locker drauf. Es scheint auch, dass diese sich hier wohlfühlen und die Einheimischen ihnen den selbigen herunterrutschen können. Wenn da nicht die Gefahren des zivilen Zusammenlebens auf engstem Raum wären: Autobahnen ohne Tempolimit, Parkanlagen mit langsam nachwachsenden Rohstoffen, Samen invasiver Arten, die mit den Rüsseltieren herbei teleportiert werden. So kommt es für Deutschland besonders dicke. Klassische Fragen, die sich bisher in einem anderen Kontext gestellt haben, müssen gelöst werden: zu Abschiebungen, zur Überfremdung, zum Recycling, zu Einschränkung wie während einer Pandemie, um nur einige zu nennen. Die mehrheitsfähige Lösung in einer Demokratie ist nicht einfach und diese in ihr immanent häufig genug schmerzlich, doch notwendig und stets lohnenswert. Ein Wille ohne Volk ist eins, ein Volk ohne Wille nichts.
Selbstverständlich wird hier das Ergebnis des satirischen Gedankenexperiments nicht verraten – nur so viel: es bildet einen Zirkelschluss, dessen Ironie für sich selbst spricht.
Ein vergnügliches Leseereignis, das viel Stoff zum Nachdenken parat hält und aus dem einen auf jeder Seite ein langwimpriges Elefantenauge entgegen zwinkert.