Elefanten halten uns den Spiegel vor

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
sternchenblau Avatar

Von

Im Frühjahr 2024 echauffierte sich der Präsident aus Botswana über Einfuhrbeschränkung für Elefantentrophähen: „neokoloniale Bevormundung“. Und aus Protest kündigte Mogkweetsi Masisi deshalb an, 20.000 Elefanten nach Deutschland zu schicken. Diese ganz reale Nachricht ging um die Welt, zu absurd und unrealistisch erschien die Vorstellung.

Gaea Schoeters griff dieses Idee auf und fasste sie mit „Das Geschenk“ in einen knappen und damit umso zündenderen Roman, der als Satire ganz viele Aspekte des Politikgeschehen, der Medienmaschinerie und des Populismus entlarvt. Die Elefanten halten uns den Spiegel vor.

Wie es den Elefanten geht, ist übrigens zweitrangig. Genauso, wie „normale Bürger*innen“ nur kurz am Rande vorkommen. Wir sehen das alles aus Sicht der Mächtigen. Das ist innerhalb des Buches konsequent, wiederholt aber damit selbst, was oft der Vorwurf an die Politik ist. Den Obdachlosen vom Buchbeginn hätte ich auf alle Fälle gerne nochmal wiedergesehen.

Das Buch mit 144 Seiten liest sich, bzw. in meinem Fall das ungekürzte Hörbuch mit 3h 38min, hört sich schnell und mit viel Humor weg. Johann von Bülow liest auch die größten Absurditäten mit Nüchternheit und doch immer einem Humor, der mir in der Übersetzung von Lisa Mensing sehr gut gefällt. Manchmal kommt dann etwas zu viel zusammen, aber das macht Satire ja häufig.

Am meisten gefällt mir, dass die deutsche Überheblichkeit hinterfragt wird, und mit den Elefanten eine treffende Metapher für die Angst vor Geflüchteten gefunden wird. Sehr gelingt Schoeters Entscheidung, dass sie offen lässt, ob der amtierende Bundeskanzler Winkler nun von der konservativen oder sozialdemokratischen Partei stammt. Dass das funktioniert, ist bereits selbst eine sehr treffende Aussage über die bundesdeutsche Parteienlandschaft.

Die Ex-Kanzlerin ist nämlich definitiv ein Merkel-Bezug, der aktuelle Kanzler ihr Mentee. Und doch konnte ich in Winkler oft auch Scholz sehen, erst recht, weil Merz nie Merkels Ziehsohn war. Aber zurück zur Metapher, in Bezug auf die Elefanten und Geflüchtete sagt die Ex-Kanzlerin nämlich folgendes:

„Was hattest du denn erwartet? Wir schaffen das. Elefanten sind keine Flüchtlinge. Das hier ist kein Problem der Wahrnehmung, sondern ein echtes Problem.“
Schon in diesen wenigen Zeilen steckt so viel: Geflüchtete sind kein echtes Problem, sie werden entweder zu einem Problem gemacht, oder halt einfach integriert. Daran schließt mein Hauptkritikpunkt an: Der Rechtspublizist Fuchs kommt mir zu wenig vor. Zwar ist Fuchs und dessen Umfrageergebnisse die Triebfeder für Kanzler Winklers Handeln, aber die Mechanismen, die hinter einem Rechtsruck stehen werden mir anhand des Knappheit des Romans zu wenig verhandelt. Gerade hier könnte Schoeters Mechanismen zeigen, die politikwissenschaftlich zwar gut erforscht sind, aber in der Debatte viel zu wenig vorkommen: Das Aufgreifen von rechtspopulistischen Themen führt zu einer Verschiebung nach Rechts. Dazu kommt, dass Winkler diese Mechanismen noch besser durchschauen müsste – unabhängig davon, wie er dann konkret handelt. So reflektiert mir das Ende auch zu wenig, dass dies nur ein Scheinsieg darstellt, aber das dicke Ende noch lange nicht da ist.

Das leidenschaftliche Plädoyer für eine bessere und gerechtere Welt, das die Beauftragte für Elefantenangelegenheiten mit so viel Überzeugung hält, verpufft da leider. Aber DAS ist leider in der echten Welt auch so.

Eine wirklich tolle Satire. Trotz des großen Hörvergnügens gab es aber für mich auch ein paar Schwächen. 4 von 5 Sternen.