Interessantes Gedankenspiel

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dimity74 Avatar

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Hans Christian Winkler, seines Zeichens Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, hat es auf politischer Ebene gerade nicht leicht. Unmut regt sich im Land und sein rechtspopulistischer Gegner Holger Fuchs wähnt sich schon auf direktem Weg ins Kanzleramt. Einen kleinen Erfolg konnte Winkler immerhin verzeichnen, denn gerade wurde ein neues Gesetz mit Einfuhr- und Handelsbeschränkungen für Elfenbein beschlossen. Wenigstens sie Wähler der grünen Koalitionspartner sind glücklich. Bald allerdings wird eine andere Schlagzeile die Medien beherrschen, hat doch der Präsident von Botswana auf ganz besondere Weise auf das neue Gesetz reagiert, nämlich mit einem Geschenk.

Nach "Trophäe" liefert Autorin Gaea Schoeters hier ihren neuen Roman und obwohl sie Deutschland als Schauplatz gewählt hat, spielt Afrika eine tragende Rolle in der Geschichte. Die Autorin schafft ein fiktives Szenario, in dem ein sogenanntes Dritte Welt Land auf ganz pragmatische Weise mit den Folgen dessen umgeht, was wir hier im fernen Europa über die Köpfe der Betroffenen hinweg entscheiden. Überspitzt und mit einem Augenzwinkern zeigt die Autorin was es beispielsweise für die einheimischen afrikanischen Bauer bedeutet, wenn Wild nicht mehr gejagt werden darf, sich vermehrt und im Zuge dessen Reservate nicht mehr ausreichend Platz und Nahrung für die Tiere bieten und sie sich dadurch über die eh schon kargen Felder hermachen. Sie lässt in ihrem Buch den Präsidenten von Botswana eine recht praktische Entscheidung treffen, er schickt die Tiere einfach dorthin, wo man sich so stark für deren Schutz einsetzt, nach Deutschland, ganz konkret nach Berlin, dem Sitz der Regierung und so kommt es dann dazu, dass Elefanten in der Spree baden, den Verkehr lahmlegen, oder durch den Tiergarten streifen.

Wer die Autorin bereits kennt, kennt auch ihren fließenden, ruhigen, aber auch ansprechenden Schreibstil, irgendwie gelingt es ihr mit nur wenigen Worten die Geschichte nicht nur zu erzählen, sondern sie mit Leben zu füllen. Eine Geschichte, die eigentlich total absurd ist, aber andererseits ein unglaublich interessantes Gedankenspiel. Ebenso interessant ist auch der Blick der belgischen Autorin auf Deutschland und sein politisches Gefüge. Das Buch zeigt hier ein erstaunlich realistisches Bild der derzeitigen politischen Gemengelage mit all ihren positiven und negativen Einflüssen und erinnert den Leser an die Jahre in denen viele Flüchtlinge ins Land kamen und Länder und Kommunen bei der Verteilung und Unterbringung an ihre Grenzen gestoßen sind. "Der Elefant im Raum" ist hier in mehr als einer Hinsicht wörtlich zu verstehen.

Mit "Das Geschenk" ist der Autorin wieder ein außergewöhnliches Buch gelungen in dem sie satirisch, aber auf den Punkt Gesellschaftskritik betreibt. Das Buch hat komische wie auch traurige Momente gleichermaßen und regt zum Nachdenken an. Es hält unserer modernen Gesellschaft den Spiegel vor und beschreibt eindrücklich die Arroganz, mit der wir uns anmaßen Entscheidungen zu treffen und Gesetze zu erlassen, ohne darüber nachzudenken, was das für Auswirkungen auf die Bewohner der jeweiligen Länder haben könnte.

An den Vorgänger "Trophäe" kommt "Das Geschenk" vielleicht nicht ganz heran, aber das liegt für mich eben auch einfach in der Grundverschiedenheit der Geschichte. Für mich ist das Buch trotzdem eines meiner Jahreshighlights, der hintergründige Humor, die kleinen Seitenhiebe, der messerscharfe Blick auf das politische Geschehen und nicht zuletzt die sanften Riesen als Sympathieträger und tragische Figur in einem, machen das Buch absolut lesenswert und diskussionswürdig.