Politik- und Gesellschaftskritik mit herrlicher Satire

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lia48 Avatar

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INHALT:
Die Ereignisse überschlagen sich, als eines Morgens plötzlich mehrere afrikanische Elefanten durch ganz Berlin marschieren. Die großen Dickhäuter versetzen eine ganze Stadt in hektische Betriebsamkeit, und es werden immer mehr.
Schnelles Handeln ist gefragt, „(…) es sieht so aus, als wäre eine Kolonne von Riesentermiten durch den Park gezogen.“
Während Regierung, Militär und Krisenstäbe vor Ort noch über die Herkunft der Tiere rätseln – es könnte sich schließlich um Spionage oder eine Art Terroranschlag handeln – und niemand die Verantwortung für die folgende Maßnahmen übernehmen möchte, sorgt ein Telefongespräch für mehr Klarheit:
Der Präsident von Botswana teilt dem Bundeskanzler mit, dass er Deutschland über Nacht 20.000 Elefanten geschenkt hat, als Reaktion auf das beschlossene Elfenbeingesetz der deutschen Regierung, welches die Trophäenjagd einschränken soll, aber dem Land tatsächlich die Lebensgrundlage entzieht und die Probleme nur verschärft: Weniger zahlende Jäger aus dem Westen, Überpopulation der Elefanten, zerstörte Ernten und Dörfer, Hungersnöte, lebensgefährliche Begegnungen mit Menschen, fehlende Schulgelder, usw.
„Um unser Artenschutzprogramm weiterzuführen, müssten wir eigentlich gerade mehr Jagdlizenzen ausgeben. Mehr Jäger anziehen.“
Wenn Deutschland den Schutz so wichtig nehme, solle es selbst lernen, mit den Tieren zu leben, ohne sie zu erlegen.

Und schon befindet sich das Land in der nächsten Krise …

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MEINUNG:
Tatsächlich habe ich im vergangenen Jahr gar nicht mitbekommen, dass Botswana Deutschland wirklich 20.000 Elefanten angeboten hat.
Die Autorin dürfte sich durch die Schlagzeile dazu inspiriert gefühlt haben, diese Idee aufzugreifen und als Geschichte weiterzuspinnen.
Das Schauspiel wollte ich mir nicht entgehen lassen! Denn ja, das Chaos ist vorprogrammiert!

Die Autorin verbindet hier herrliche Satire mit Politik- und Gesellschaftskritik, lässt biologische, ökologische und klimapolitische Aspekte einfließen und stellt dabei das zum Teil fragliche Handeln der Politiker in den Vordergrund.
Besonders die humorvollen Szenen haben mich in der ersten Buchhälfte begeistert. Ich fand es genial, wie es Gaea Schoeters im Kontrast dazu gelingt, auf ernste Probleme aufmerksam zu machen: Die Konsequenzen westlicher Artenschutzpolitik für afrikanische Länder – von Überpopulation über menschliches Leid bis zu wirtschaftlichen Einbußen.
Gleichzeitig lassen sich Parallelen zur deutschen Migrationspolitik erkennen.
Mithilfe der Elefanten-Problematik spielen sich die Parteien gegeneinander aus, schieben Verantwortung von sich, ringen um Ansehen und Macht und verlieren dabei die Konsequenzen manchmal aus den Augen.

Auch die anfangs noch detailreichen Beschreibungen der Elefanten mochte ich gerne. Sie erzeugten Bilder in meinem Kopf und schafften eine Verbindung zu den Dickhäutern.

Die Entwicklungen ab etwa der zweiten Hälfte des Buches gingen mir leider viel rasant, sodass ich das Gefühl hatte, dass die Autorin schnell zum Ende kommen wollte.
Humorvolle Stellen gab es plötzlich keine mehr und zudem deutlich weniger detailreiche Beschreibungen der Elefanten.
Dieser Bruch wirkte auf mich etwas lieblos heruntergeschrieben.
Aus politik- und gesellschaftskritischer Sicht passte für mich das Ende inhaltlich.
Ich hätte mir nur gewünscht, dass sich Schoeters dafür mehr Zeit und Raum gelassen hätte ...

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FAZIT: Die erste Buchhälfte war für mich ein absolutes Highlight, die restliche Geschichte entwickelte sich für mich leider viel zu rasant.
Insgesamt kann ich euch die kurze, aber außergewöhnliche Lektüre dennoch empfehlen, wenn ihr euch für Politik- & Gesellschaftskritik mit satirischer Umsetzung begeistern könnt. Und natürlich für Elefanten.
4/5 Sterne!