Geschichte geht anders

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buecherwurm Avatar

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Der Titel und das liebliche Cover mit Buch, Hut, Blumen und Hund lassen es erahnen: Hier haben wir es nicht mit einem postmodernen Roman zu tun, sondern eher einer viktorianisch inspirierten Gute-Nacht-Geschichte, inclusive einem allwissenden Erzähler, rührselig wie die Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens.
Um dem Ganzen dennoch Aktualität zu geben, ist alles im Präsens geschrieben. Das Wort „Geschichte“ taucht gefühlt auf jeder Seite mindestens zweimal auf. Dieser Schreibstil macht es mir unmöglich, den Charakteren näher zu kommen oder mich gar in sie einzufühlen.
Diese unüberwindbare Distanz wird trotz zahlreicher, erschreckend dramatischer Inhalte keineswegs durch Spannung ausgeglichen. Diese will sich einfach nicht aufbauen, weil sich stattdessen immer wieder das Gefühl breit macht, man solle hier moralisch belehrt werden, dass Menschen eben gut und böse im Wechsel sein können. Prädikat: Pädagogisch wertlos!
Die zwei Sterne ergeben sich, da man zum Einen dem Buch wirklich keine Handlungsarmut vorwerfen kann. Senile Ex-Spionin mit Hang zum Alkohol, Suizide, Morde, Seenot, Vernachlässigung, verschwundenes Kind - alles drin.
Zum Anderen gefiel mir die überraschend kulturelle Grenzen sprengende Anspielung auf „Tausend und eine Nacht“.
Wer experimenteller Literatur nichts abgewinnen kann und sich gern von Altbewährtem an die Hand genommen fühlen möchte, ist vermutlich spendabler mit den Sternen.