Die Begegnung mit dem Tod

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Zunächst einmal ist in diesem Roman von David Foenkinos niemand glücklich in seinem Leben. Éric ist unzufrieden in seinem Job bei Decathlon, geschieden, Vater von Hugo der bei seiner Ex-Frau Isabelle lebt und er hat kaum Kontakt zu seiner Mutter, die ihn am frühen Tod des Vaters mitschuldig macht. Unentschlossen und leicht deprimiert geht es durchs Leben, bis er von Amélie angeworben wird für einen Job, der ihn trotz Flugangst und Zaudern durch die halbe Welt führt. Seine Chefin ist eine taffe Karrierefrau, die ihre Familie und die Arbeit mehr oder weniger gut unter einen Hut bringt. Doch auch sie ringt mit ihrer Position, mit der Entfremdung zu ihrem Mann und den beiden Töchtern. Als Éric bei einem Termin in Korea alles zu viel wird kommt er in Kontakt mit einer Firma, die Fake-Beerdigungen anbietet. Dieses Erlebnis verändert sein gesamtes Leben und damit auch das von Amélie.
Was ich für eine ziemlich verrückte Idee gehalten gibt es in Süd-Korea wirklich. Es kommt mir ein bisschen bizarr vor, dass man durch diese "Therapie" ein neuer Mensch wird, zufriedener, zielstrebiger und ausgeglichen. Die Vorstellung, sich in einem Sarg liegend auf sich und sein Leben zu besinnen, erscheint mir hier in Europa - in diesem Fall in Frankreich - doch eher unrealistisch.
Es ist extrem, wie sehr Éric sein Leben ändert und plötzlich im Griff hat, hier hat der Roman für mich ein bisschen was philosophisches. Am besten gefällt mir die Person der Amélie, die alles in ihre Karriere investiert und den typischen Stress von Frauen in Führungspositionen durchmacht. Auch der realistische Bezug zu Corona, die Schwierigkeiten als Eltern im Homeschooling, die erzwungene Nähe als Paar und der berufliche Stillstand machen sie für mich zu einer Person, mit der ich mich gut identifizieren kann. Das Verhältnis von Éric und Amélie ist ein interessantes auf und ab, in dem sich die Machtverhältnisse deutlich verschieben. Dies zu verfolgen ist sehr unterhaltsam. Gut gefällt mir, dass aus der Sicht von beiden Protagonisten erzählt wird, so dass man ein Ereignis aus verschiedenen Perspektiven erlebt.
Der Schreibstil ist eher umemotional und beobachtend, hier hätte ich mir manchmal etwas mehr Wärme oder Empathie gewünscht.
Ein unterhaltsamer Roman über eine verrückte Idee und wie sie das Leben verändern und glücklicher machen kann. Eine Hymne auf den Mut zu Neuanfängen.