Spannung mit Provence-Flair

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takabayashi Avatar

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Dr. Leon Ritter, der vor einigen Jahren in die Provence umgesiedelt ist, interessiert sich nicht nur für die Obduktionen, die er vornimmt, sondern auch für die Geschichten dahinter. Als ein herrenloses Boot in Le Lavandou an den Strand geschwemmt wurde, scheint es sich um einen Unfall und nicht um einen Kriminalfall zu handeln. Und dann gibt es da noch den vermeintlichen Kindsmörder, den Vater der kleinen Amélie, der mangels Beweisen wieder freigesprochen wurde, jedoch von den meisten Einwohnern von Le Lavandou für schuldig gehalten wird - sie wollen die Unschuldsvermutung nicht gelten lassen. Das kleine Mädchen war vor sechs Jahren spurlos verschwunden, ihre Leiche wurde nie gefunden. Der Fall wird wieder aufgerollt, und es gibt auch weitere Tote. In seiner üblichen, etwas forschen und seine Kompetenz überschreitenden Art klärt Leon Ritter den Fall quasi im Alleingang auf. Ich kenne die drei Vorgängerbände, die mir gut gefallen haben, wobei mir allerdings der dritte Band etwas zu sehr mit der Schilderung brutaler Verbrechen beschäftigt war. Dieser Band hat mir wieder sehr viel besser gefallen und war nicht so düster wie der Vorgänger. Hier gab es die richtige Balance zwischen Krimi, Privatleben und Lokalkolorit. Einerseits sehr spannend (gegen Ende konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen), andererseits die Reiselust beflügelnd: man möchte am liebsten gleich in die Provence fahren - oder wenigstens ein Gläschen Rosé bei der Lektüre genießen. Netter, unterhaltsamer Regionalkrimi, tendenziell eher Cosy als blutrünstig.
Das einzige kleine Manko ist, dass der Protagonist so ein "edler Ritter" ist, fast gar keine Schwächen hat und direkt einen Heiligenschein tragen könnte. Ein wenig so wie sein Kollege "Bruno - Chef de Police". Menschen mit kleinen Fehlern wirken doch etwas realistischer, sympathischer, einfach menschlicher - es müssen ja nicht gleich die problembeladenen, depressiven Gestalten sein, wie man sie teilweise aus den skandinavischen Krimis kennt