Spannender Roman mit Sogwirkung

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elfe1110 Avatar

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Im Mittelpunkt des neuen Romans von Richard Powers steht die Insel Makatea im Südpazifik. Einst durch den Kapitalismus fast ausgelöscht, ist das kleine Eiland nun Heimat von nicht einmal mehr 100 Einwohnern, die hier ein bescheidenes aber glückliches und zufriedenes Leben führen. Bis sich ein großer Investor erneut für die Insel zu interessieren beginnt.
Wir lernen Rafi und Ina kennen, die mit ihren beiden Kindern auf der Insel leben. Die sich als Studenten in Chicago kennen und lieben lernten. Ina, die von Makatea stammt und die als Künstlerin die Geschichte ihres Volkes und ihrer Kultur einfängt. Rafi, der die Literatur liebt und als Farbiger im Glauben erzogen wurde, immer besser als die Weißen sein zu müssen. Dritter im Studenten-Bunde ist Todd, der beste Freund Rafis, der noch immer in Chicago lebt. Die beiden könnten unterschiedlicher nicht sein– schwarz-weiß, arm-reich, analog-digital und doch verbindet sie eine innige, tiefe Verbundenheit, die den größten Herausforderungen trotzt. Todd hat schon früh auf die digitale Welt gesetzt und mit seinem virtuellen Spiel Playground Millionen verdient. Und dann ist da noch Evie, eine betagte ältere Kanadierin, die sich als Tiefseeforscherin einen Namen gemacht hat und nun auf der Insel lebt.
Der Roman entwickelt eine Sogwirkung, der man nur schwer entkommt. Das liegt zum einen an den Themen des Buchs, die aktueller nicht sein könnten: Klimawandel, das Artensterben in den Ozeanen, unbändiger Kapitalismus, gesellschaftlicher und digitaler Wandel, KI. Zum anderen schreibt Powers auf eine intensive und dichte Art, der man sich nicht entziehen kann. Seine Figuren sind bis ins Kleinste ausgearbeitet, ihre Charaktere, ihre Leben. Wir erleben mit Evie eine emanzipierte und engagierte Frau, die ihrer Zeit weit voraus war und inmitten der Herrlichkeit des Pazifiks Rochen, Fledermausfische, Pygmäenseeferdchen und Flohkrebse ihre Freunde nennt. Rafi, der das geschriebene Wort so sehr liebt, dass er wahllos Bücher zu den verrücktesten Themen liest und seinen Job verliert, weil er eben diese vor dem Papiermüll bewahrt. Todd, der sich eine künstlichen Welt schafft und in Visionen denkt, die einem Elon Musk gleichkommen.
Powers Roman lässt sich auf vielfältige Art lesen. Ich persönlich empfand ihn als ein eindringliches Plädoyer zur Wahrung unserer Schätze, sei es, der Lebewesen, der Natur, der Ozeane auf diesem Planeten; sei es, der Kultur, der Literatur, der Geschichte der Menschheit. Eine (Rück)Besinnung auf das, was uns als Menschen ausmacht, Verbundenheit, Freundschaft, Gemeinschaft. Dabei flicht der Autor durch die Aspekte zum Kapitalismus und zum technologischen Wandel bis hin zu KI spannende Facetten mit ein, die – ich kann es nicht anders für mich ausdrücken – „krass in die Zukunft spinnen lassen“.