Weniger ist manchmal mehr...

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parden Avatar

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Eigentlich hat das Buch alles, was ein guter Thriller braucht.

Es beginnt mit einem Toten in der Silvesternacht, einem reichen einflussreichen Toten im Hotel Adlon in Berlin. Entsprechend wird das Berliner LKA eingeschaltet, und zwar sowohl die Mordkommission als auch das Wirtschaftsdezernat, denn der Tote war Chef eines großen internationalen Konzerns - und sein Tod lässt die Aktien ins Bodenlose fallen. Wer also profitiert da von dessen gewaltsamem Tod?
Kurz danach werden zwei weitere Mitarbeiter dieser Firma in einem Bunker bei Berlin ebenfalls tot aufgefunden - ermordet und dann grausig zur Schau gestellt. Tote als Kunstobjekte, so mutet es an. Bei eingehenderer Betrachtung werden am Tatort auch noch Botschaften gefunden, die aber mehr Rätsel aufgeben als zunächst gelöst werden können...

Letztlich spielt der Thriller über den halben Globus verteilt, von Berlin über London bis New York, auch Rom spielt eine Rolle.
Wie auch in anderen Thrillern oft üblich, springt die Geschichte von Ort zu Ort und von Person zu Person. Nach einiger Zeit fällt es auch nicht mehr so schwer, diesen Sprüngen zu folgen - sie machen die Geschichte eher spannender.

Was mir dem Thriller allerdings schon ziemlich bald einiges von meiner Begeisterung nahm, das war das Metier des Finanzwesens. Zeitweise fühlte ich mich wie erschlagen von den Fachbegriffen, die dem Leser da um die Ohren gehauen werden.
Natürlich habe ich verstanden, dass es teilweise nötig war, da es sich bei den Morden und anderen Verbrechen fast immer auch um Wirschaftsangelegenheiten im großen Stil handelte. Trotzdem fühlte ich mich oft überfordert mit Begriffen wie "Short selling" (Leerverkauf), Toxic assets, Hedgefonds, M&A-Deals, Junk Bonds, Trust, Offshore-Gesellschaft, Protfoliomanagement-Gesellschaften und anderes mehr. Zumal diese Begriffe auch nur in dem Maße erklärt wurden, wie es zum Verständnis des Geschehens unbedingt notwendig war.
An einer Stelle wurde dann auch noch erwähnt, dass Themen, die mit Geld zu tun haben, Herrschaftswissen sind. Und das möchte ich an dieser Stelle nicht bezweifeln - wenn selbst die Fachleute (auch in diesem Thriller) es oft für unmöglich halten, herauszufinden wo das Geld herkommt und wo es hingeht. Also wieso sollte ich da als "Otto-Normalverbraucher" irgendwie den Durchblick behalten...

Als dann zu meiner Freude, die Begriffe des Finanzwesens allmählich weniger wurden, wurde das Geschehen auch komplexer.
Zu meinem ungläubigen Staunen tauchte dann aber ein anderer Bereich auf, der für den Rest der Geschichte in aller Ausführlichkeit abgehandelt wurde, wohl um den uralten Plan einer ebenso alten Geheimgesellschaft verständlicher zu machen: der Bereich der griechischen Mythologie - einschließlich Kunstgeschichte, mittelalterlichen Schriften wie Dantes "Göttlicher Komödie" und zahlreichen Passagen aus der Bibel. Ein Bildungsrundumschlag, der Umberto Eco Freudentränen in die Augen getrieben hätte...

Ich muss leider sagen: weniger ist manchmal mehr.
Zwar ist es bewundernswert, dass der Autor Anglistik, Kunstgeschichte, Medienwissenschaften und General Management an verschiedenen Universitäten Europas studiert hat, doch dass er all diese Zweige versucht in einen Thriller zu packen, sprengt für mich den Rahmen.
Die Idee des uralten Plans ist generell nicht schlecht, doch durch all die konstruierten Verknüpfungen wirkt das Ganze auf mich doch reichlich unglaubwürdig...

Schade.