Ein Rätsel in den Vogesen.... und das Finden einer Wahrheit

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swansea Avatar

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Ein filigran gestaltetes Tor vor schöner Landschaft ziert das HC und hat stilistisch und farblich einen unwiderstehlichen Anziehungsreiz auf mich ausüben können; der Titel "entspringt" dem Buchinhalt (S. 200) und ist sehr schön gewählt, jedoch verbirgt sich noch viel mehr an Tiefe in der Geschichte dieses hervorragenden Romandébuts, in das der Leser eintauchen kann...
Die Handlung ist in Freiburg und den Vogesen (Géradmer) verortet und im Prolog wird angedeutet, dass sich hier, dem "Rosshimmel", zwei Kinder versteckt halten (müssen)... In Kursiv geschriebenen Rückblenden wird die Zusammenarbeit und einstige Freundschaft von Bodo Kirchmann, der eine Uhrenmanufaktur leitet und der jüdischen Familie Samuel Bloch beschrieben, die heraufziehende Nazi-Diktatur und die damit einhergehenden immer schärferen antisemitischen "Maßnahmen" und Gesetze entzweien scheinbar die Geschäftspartner: Bodo K. ist gezwungen, ein Doppelleben zu führen und bittet die Hauptprotagonistin und Enkelin Elisabeth "Lizzy", für Gerechtigkeit zu sorgen...
Die "Basis" der Handlung ist dabei das Testament des Großvaters von Lizzy und diese begibt sich auf "Spurensuche", die der Leser in atemberaubender Spannung miterleben kann...
Der Stil der Autorin ist flüssig und schön zu lesen, anspruchsvoll und keineswegs belletristisch, an manchen Stellen auch humoristisch: Trotz düsterem Hintergrund (1933-45) gelingt es ihr, eine ausgewogene und authentische, nachvollziehbare Familiengeschichte in Rückblenden zu erzählen, um den wahren Hintergründen der Haltung und der Handlungen ihres Großvaters und der Wahrheit auf die "Schliche" zu kommen. Sehr menschlich wirkte der Umgang der Familie mit der dementen Großmutter, die zur Beruhigung ab und an eine Fahrt nach "Amerika" braucht, um zur Ruhe zu kommen. Hierin liegt eine gewisse Symbolik ... Von der "keine toten Tiere" essenden Urenkelin Thea, der 8jährigen Tochter Lizzys, wird dies als Lüge entlarvt ;-); auch die Dialoge und Sensibilität zwischen Lizzy und Thea sowie Tom, ihrem Vater, haben mir bestens gefallen. Im Laufe der Erzählung erhält der Leser auch historische Einblicke dadurch, dass der "Rosshimmel" (das Gut Bodo Kirchmanns in den Vogesen) mit der Zeitgeschichte des "3. Reichs" verbunden ist und das dem Saarland benachbarte Elsass/Lothringen ebenfalls seine Männer und Söhne in WW II schicken mussten...
Sowohl die "dunklen Kapitel" deutscher Geschichte als auch der Umgang der Familienmitglieder sind sehr authentisch, emotional und stilistisch warmherzig, menschlich beschrieben, was mich sehr berührt und auch begeistert hat.
Fazit:
Ein sehr gelungenes "Aufdecken" von Wahrheiten in sprachlich gewandter Form eines Familiengeheimnisses, das lange Zeit "zugedeckt blieb" mit einem fulminanten, sehr emotionalen Ende, das in einer Zusammenkunft zweier Familien gipfelt: Das zutiefst menschliche Buch, das den Leser emotional berührt, stellt für mich einen (literarischen) STOLPERSTEIN dar!
Ich gebe (was ich sehr selten tue) 100 Punkte bzw. 5 Sterne und hoffe, von Bettina Storks noch weitere Werke lesen zu können!