Thea, Otto, Nella & Cornelia - ein Haus mit Geheimnissen

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lindarabbit Avatar

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Amsterdam, Beginn des18.Jhdts: Thea Brandt hat eine weiße Mutter und einen schwarzen Vater namens Otto. Etwas Unerhörtes zu dieser Zeit, dann waren auch noch Vater und Mutter unverheiratet. Nella (Petronella Oortmann) ist die Tante, die den Bruder ihrer Mutter heiratete. Onkel Johannes Brandt wurde hingerichtet, ertränkt. Die Mutter starb bei Theas Geburt.
Der Roman beginnt mit Theas 18. Geburtstag. Ihr einziges Glück sei sich gut zu verheirateten. Doch Thea ist verliebt, sie liebt das Theater. Rebecca - die Hauptdarstellerin vieler Stücke - ist mit ihr befreundet. Und da ist Walter... Bei einem Ball soll sie Interessenten um ihre Hand bekannt gemacht werden...

Thea tritt anfänglich als verwöhntes, aber gleichzeitig intelligentes und mutiges, Gör auf. Die Erwachsenen um sie haben immer alles für sie getan, auch wenn deren Mittel und Möglichkeiten (eine verarmte und in Ungnade gefallene Kaufmannsfamilie) Grenzen aufwiesen. Am Anfang möchte man die junge Frau öfters mal schütteln, von ihrem Tun abhalten. Aber das gehört zur Dramaturgie des Romans, ebenso wie der Reifeprozess der Heranwachsenden. Tante Nella widmet ihr Leben dem Haushalt und hat eben nur eines im Sinn – eine reiche Heirat für Thea. Sie versperrt sich allem Anderen. Otto, der Vater, ist nicht gerade glücklich in der Lebensführung, doch er liebt seine Tochter über alles. Und Cornelia ist die Perle im Haus, die hart arbeitet, sie verköstigt mit Leckereien und seelischen Pein lindert.

Es ist keine einfache Lektüre, aber wohl ein Sittenbild der damaligen Zeit. Was für Möglichkeiten gab es zu jener Zeit für Frauen? Die Gesellschaft ist heuchlerisch, missgünstig und orientiert sich nur an Statussymbolen. Gewählte Worte! Reichhaltiger Text, auch mit philosophischem Anspruch. Das Buch erfordert Durchhaltevermögen, doch das wird belohnt! Der englische Titel lautet: The House of Fortune. Das bedeutet schon etwas und birgt auch Hinweise - ist das Haus in der Herengracht damit gemeint oder ein anderes? Es ist keine leicht verdauliche Kost, sondern hat literarischen Anspruch.

Das Umschlagsbild sieht aus wie ein Puppenhaus und soll wohl den etwas komplizierten Haushalt zeigen. Es gibt ein Vorläuferbuch, welches Nellas Ankommen in der Herengracht beinhaltet. Das Buch ist ein historischer Roman. Auf Logik darf der Roman nicht untersucht werden. Denn da würde man auf einiges stoßen, was so nicht sein kann. Es passieren mysteriöse Dinge, Unbekannte treten auf und die Akteure entwickeln verwirrende Gefühle …

Jessie Burton (Schauspielerin und Autorin) hat ein Vorgängerbuch geschrieben (was aber nicht unbedingt zum Verstehen dieses Romans notwendig ist) – 'Die Magie der Kleinen Dinge'. In Realität hat die Autorin im niederländischen Rijksmuseum in Amsterdam ein Puppenhaus mit Miniaturen gesehen (ein außergewöhnliches Stück Kunst). Das Puppenhaus gehörte Petronella Oortman, verheiratet mit dem Amsterdamer Kaufmann Johannes Brandt. Das Modell entsprach einem tatsächlichen Hauspalast eines reichen Patrizier in Amsterdam und kostete in der Anfertigung genauso viel wie ein solches Haus. Burton wurde durch dieses Puppenhaus zu den beiden Romanen inspiriert. Jessie Burton hat für den ersten Roman viele Preise erhalten.