Berührend, aber vorhersehbar

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sikal Avatar

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Die Anwältin Solène stellt nach ihrem Burn-out so manches in ihrem Leben in Frage und bekommt von ihrem Psychiater den Tipp, sich ehrenamtlich zu engagieren, um die eigenen Probleme nicht mehr in den Fokus zu stellen. Nach einigen Recherchen, welche Möglichkeiten sich denn nun bieten würden, erkennt Solène, dass sie irgendwann mal gerne Geschichten schrieb – dies aber im Laufe der Zeit in Vergessenheit geriet. Sie meldet sich nun auf eine Annonce hin in einem Frauenhaus als professionelle Schreiberin und ahnt nicht im Entferntesten, was sie dort erwartet.



Ein zweiter Erzählstrang reicht ca. 100 Jahre zurück und erzählt von Blanche und Albin, die beide mit Herzblut bei der Heilsarmee waren und sich für viele Sozialprojekte engagierten. Unter Einsatz all ihrer Kräfte hat Blanche schließlich dieses Haus der Frauen gegründet. In diesem Teil der Geschichte erfährt man einiges über die Rechte und Pflichten der Frauen der damaligen Zeit, deren Vorhandensein (oder Nicht-Vorhandensein) und Stand in der Gesellschaft und auch von der ungewöhnlichen Beziehung zwischen Blanche und Albin.



Die Geschichten der Frauen aus aller Herren Länder sind berührend, auch merkt Solène so nach und nach, dass sie nicht der Mittelpunkt des Universums ist. Anfangs ist sie ihrer Tätigkeit ziemlich naiv entgegengegangen und erwartete sich Dankbarkeit und Aufnahme in den Kreis. Dabei hat ihr Leben nicht mal ansatzweise mit dem Leid der Frauen zu tun und das muss Solène auch erst lernen.



Die Autorin Laetitia Colombani schreibt sehr flüssig und mit authentischer Sprache, die sich der jeweiligen Gesellschaftsschicht anpasst. Solène ist mir jetzt nicht sonderlich sympathisch, sie wirkt oberflächlich und abgehoben. Auch als sie sich den Frauen nähert, spürt man eine bleibende Distanz. Die Geschichten der Frauen sind teilweise nur angerissen und lassen deren Leid erahnen. Doch dies hat mir sehr gut gefallen, dass man hier seine eigenen Gedanken und Vermutungen einfließen lassen kann. Viele Entwicklungen der Geschichte waren leider ziemlich vorhersehbar, da gab es keine überraschende Wendung.



Den Teil über die Entstehung des Frauenhauses finde ich am besten, Blanche ist mit ihrer Hartnäckigkeit und ihrem Engagement jemand, dem man Vertrauen entgegenbringen kann.

Ansonsten finde ich die Charaktere blass ohne Tiefe, auch während der Erzählungen bleibt eine Distanz.



Für mich war es ein ganz netter Roman für zwischendurch, aber nichts Herausragendes. 3 Sterne