Blanche, meine gute Blanche

Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern Leerer Stern
prosanova Avatar

Von

"Sich wirklich zu engagieren bedeutet, seine Zeit zur Verfügung zu stellen."

Im Roman "Haus der Frauen" geht es um ein zeitgemäßes, spannendes Thema; um soziale Ungerechtigkeit, Leid und Verbrechen. Es geht um die Verantwortung des Einzelnen und die Rolle des Staates bei Präventionsarbeit.

Insgesamt ein wirklich tolles Thema und somit ein spannendes Projekt. ABER.
An der Umsetzung hapert es leider sehr.

Im Roman begegnen uns zwei Handlungs- und Zeitstränge.
Blanche Peyron, die im 20. Jahrhundert der Heilsarmee beitritt, Widerständen zum Trotz für ihre Überzeugungen kämpft und ihr ganzes Leben lang ihre persönlichen Bedürfnisse zu Gunsten der 'schwachen' hinten anstellt. Colombani schildert den Werdegang Blanches mit einer gut dosierten Nüchternheit; verleiht der Figur dadurch Würde. Alles an diesem Erzählstrang hat mich begeistert!

Den Fokus des zweiten Erzählstrangs nimmt Solène ein. Eine Anwältin in Paris; um die 40, erfolgreich und intelligent. Nach einer Zäsur erleidet sie einen Burnout und begibt sich in therapeutische Behandlung. Über Umwege verschlägt es sich ehrenamtlich in das Haus der Frauen.
Dieser Teil er Geschichte hat mich leider sehr gestört.
Colombani missachtet beim Schreiben stringent das einfache Prinzip "show dont tell". Soll heißen: Alles was in dieser Erzählung passiert wird einem immer nur vor die Nase gesetzt. Es bleibt keine Leerstelle für Interpretationen. Keine Beschreibung, die mich auf Gefühle, Intentionen oder Hintergründe schließen lässt; alles wird direkt interpretiert und einem stolz vorgehalten.
Die steile Entwicklungskurve, die Solène dabei hinlegt erscheint überdies unrealistisch.
In einem Atemzug von der knallharten Anwältin zur fürsorglichen Ehrenamtlichen. Ich will nicht behaupten, dass so etwas nicht ginge. Nur die Art und Weiße der Darstellung, die Geschwindigkeit und der plötzliche Motivationswechsel Solènes wirkten auf mich total unglaubwürdig. Das ganze ging leider so weit, dass ich mich jedes Mal ein wenig geärgert habe, wenn Blanches Erzählstrang unterbrochen und Solènes weitergeführt wurde. Leider schwächt dieses schludrige Erzählen die eigentliche Sogkraft des Themas.
Schade.