Ein kraftvoller Roman

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fantafee Avatar

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Nachdem mir der Vorgängerband „Der Zopf“ von Laetitia Colombani so gut gefallen hat, wollte ich natürlich jetzt auch diese Neuerscheinung gleich lesen.
Erwartet habe ich mir einen inhaltsstarken Roman für Frauen - und wurde nicht enttäuscht.

Auch hier verknüpft die Autorin zwei bemerkenswerte Frauenleben wieder kunstvoll miteinander. Im Mittelpunkt steht ein historisches Gebäude in Paris, der Palast der Frauen oder auf Französisch: Palais de la Femme, in der Rue de Charonne. Ehemals ein Dominikanerinnenkloster und zeitweilig als Kriegskrankenhaus genutzt, kaufte es 1926 die Heilsarmee und wurde zu einem Aufnahmeort für alleinstehende und in Not geratene Frauen verwandelt. Das wäre niemals möglich gewesen ohne das unglaubliche Engagement von Blanche Peyron und ihrem Mann Albin, beides führende Mitglieder der französischen Heilsarmee.

Blanche Peyron, eine der beiden Frauenfiguren im Roman, muss eine aussergewöhnliche Frau gewesen sein. Willensstark bis starrköpfig, enthusiastisch bis selbstzerstörerisch, eine beeindruckende Rhetorikerin und immer mit Feuereifer dabei, den Armen und Schwachen zu helfen. Wir erfahren mehr über ihr Leben, ihren Werdegang zur Vorkämpferin für Solidarität und über ihre Liebe zu Albin, dem Kämpfer und Unterstützer an ihrer Seite.

Im zweiten Handlungsstrang erfahren mir mehr über eine Frau im heutigen Paris. Solène ist eine erfolgreiche Anwältin in einer großen Kanzlei. Als sich vor ihren Augen ein Mandant in den Tod stürzt, bricht auch ihre Welt in sich zusammen. Nach einem Klinikaufenthalt kehrte sie mit einer schweren Depression in ihre leere Wohnung zurück. Dort empfindet sie ihr Leben nur noch als sinnlos.
Doch dann entdeckt sie ein Inserat auf einem Suchportal und fühlt sich davon direkt angesprochen. Sie findet Halt in ihrem neuen Job als öffentliche Schreiberin im Haus der Frauen, dem Palais de la Femme. Dort schreibt sie im Auftrag der Bewohnerinnen Briefe. Mit jedem Brief den sie schreibt, wächst nicht nur ihr Mitgefühl für die verschiedenen Schicksale, sondern sie entdeckt auch einen längst vergessenen Herzenstraum wieder, das Schreiben. Sie erkennt ihr eigenes Talent darin und die Möglichkeit damit anderen zu helfen. Seit Solène anderen hilft, hat ihr Leben wieder einen Sinn. Ganz aktiv möchte sie beides tun, schreiben und helfen.

Der Roman ist schnell gelesen, denn der Stil ist locker und flüssig. Die Geschichten der Frauen wechseln sich ab und enden stets so, dass man unbedingt wissen möchte wie es JETZT weiter geht. Die Figuren sind glaubhaft und lebendig. Zwischen freudigem Glück und stiller Trauer durchliest man die verschiedensten Emotionen. Besonders gefallen hat mir der historische Bezug und die Möglichkeit mehr über die Heilsarmee und den gesellschaftlichen Zuständen Anfang des Zwanzigsten Jahrhunderts in Paris zu erfahren, indem es mir den Anstoß bot, inhaltlich nach zu recherchieren.

Eine fünf-Sterne Leseempfehlung, beste Unterhaltung mit Inhalt.