Starke Frauen in schöner Geschichte

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singstar72 Avatar

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Ich hatte mich für dieses Buch interessiert, ohne die Autorin näher zu kennen. Ich hatte zwar vom Erfolg ihres Erstlings „Der Zopf“ gehört, stand dem aber skeptisch gegenüber. Nun, beim zweiten Buch, habe ich zugegriffen. Es sollte unter anderem um das Schreiben von Briefen gehen, was ein Thema ist, das mir am Herzen liegt.

Letztendlich konnte mich das Buch positiv überraschen. Es geht um weitaus mehr als das Briefeschreiben! Es geht um das besagte „Haus der Frauen“, um die Schicksale darin. Es geht aber auch um eine Geschichte in der Vergangenheit. Und um das Leben einer jungen Anwältin, welches in der Gegenwart eine bedeutsame Wendung erfährt.

Wieder einmal verwundert mich, wie sehr ein Buchtitel die Wahrnehmung beeinflussen kann. Im französischen Original heißt das Buch „Les Victorieuses“, also die „Siegerinnen“. Wobei es doch durchaus um harte Schicksale geht! Im Deutschen hingegen lehnt sich der Titel viel mehr an das an, was dieses Haus eigentlich ist: ein Frauenhaus. Ein „Haus der Frauen“. Beide Titel beleuchten verschiedene Aspekte des Werkes, die jedoch gleichgewichtig sind.

Das Buch zeichnet sich aus durch eine gewisse Leichtigkeit der Erzählweise, die jedoch nie platt wirkt. Es ist nicht zu dick, man könnte es aufgrund der Flüssigkeit also durchaus bequem an einem Tag durchlesen, wenn man wollte. Doch damit würde man dem Inhalt nicht gerecht.

Schön fand ich die Verflechtung der Erzählstränge. In der Gegenwart begleiten wir Solène, eine Anwältin mit Burn-Out, die sich ein Ehrenamt zur Heilung ihrer Depression sucht – eben Schreiberin im Frauenhaus. Mit Solènes langsamer Rückkehr ins Leben verbinden sich viele Schicksale der Bewohnerinnen. Sie lernt viele Lebensläufe kennen; sei es Binta, die ihren Sohn in Guinea zurücklassen musste, oder Iris, die als Transfrau in ihrer Heimat Mexiko keine Chance hatte. Man merkt diesen kleinen „Geschichten in der Geschichte“ an, dass die Autorin gut recherchiert hat. Sie weiß eindeutig Bescheid über die Abläufe in einem Frauenhaus – das Chaos, die Streitereien, die Tränen. Aber auch die berührenden Momente.

Der zweite Erzählstrang spielt Mitte des 19. Jahrhunderts in Paris. Blanche Peyron ist schon als Jugendliche der Heilsarmee beigetreten, und widmet diesem Ideal ihr ganzes Leben. Eines ihrer letzten großen Projekte besteht im Erwerb und der Renovierung des „Palastes der Frauen“ in Paris, eine scheinbar übermenschliche Aufgabe. So gerne hätte ich noch mehr von Blanche gelesen! Sie ist ja eine historische Persönlichkeit. Mir ist aber nicht klar, wie viel die Autorin hinzugedichtet hat… Dennoch, dieser Erzählstrang war farbig, und prallvoll an Leben. Blanche hat mich fasziniert. Die Autorin wollte dieser tatkräftigen Frau ein Denkmal setzen, was ihr zweifellos gelungen ist.

Fast am allerschönsten finde ich die zwei Gebete zu Beginn und zum Ende des Buches. Denn das „Haus der Frauen“ steht auf dem Grundstück eines ehemaligen Klosters, welches der Säkularisierung in Frankreich zum Opfer fiel. Es handelt sich um Segensgebete, und man kann sie als Leser leicht auf sich beziehen. Wunderschön.

Nur sehr gelegentlich hat mich die Übersetzung nicht gänzlich überzeugt. Hier in Deutschland ist der Begriff „Prekariat“ einfach nicht geläufig; mir zumindest nicht. Und an einigen wenigen Stellen schrammt das Buch dann doch haarscharf am Kitsch vorbei; wenn zum Beispiel Solène ihre alte Liebe auf der Straße trifft. Oder wenn zaghaft eine neue Liebe angedeutet wird. Auch das Abgleiten in den Burn-Out hätte besser geschildert werden können. An diesen Stellen klingt Laetitia Colombani dann doch wie Cecelia Ahern. Stellenweise erinnert sie mich auch an Marie-Sabine Roger.

Insgesamt jedoch hat mich das Buch auf einer tieferen Ebene berührt, als ich für möglich hielt. Ich würde mir lediglich wünschen, dass Laetitia Colombani dickere Bücher schriebe...