Was eine Enttäuschung

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cc-san Avatar

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Ich wollte dieses Buch lieben. Leider wurde das nichts.
Die Prämisse des Buches verspricht eine erfolgreiche Anwältin, die einen Burn-Out erleidet und sich auf Anraten ihres Therapeuten sozial in einem Frauenhaus engagiert. Ich habe damit gerechnet mit Schicksalen konfrontiert zu werden und bei der Protagonistin eine schöne Charakterentwicklung mitzubekommen.
Die Umsetzung hat das aber nicht ganz geschafft. Das Buch besteht aus 2 Zeitlinien. Wir folgen Solene, der oben genannten super erfolgreichen Anwältin, und Blanche, der toughen Dame, die die Einrichtung "Palast der Frauen" ins Leben gerufen hat.

Solène kämpft mit Depressionen und Burn-Out, soll aber eigentlich eine toughe Anwältin sein. Nichts dieser Charaktereigenschaften kann man in ihr lesen. Wir bekommen keine elegante Charakterentwicklung mit. Solene ist launisch, mal mitgenommen, mal tough, mal einfach nur begriffsstutzig. Irgendwie war sie für mich die meiste Zeit nicht als wirkliche Person/Charakter greifbar. Das grösste Problem hatte ich allerdings mit der sozialen Tätigkeit. Sie wird in dem Palast der Frauen angestellt um den Damen beim Schreiben von Briefen etc. zu helfen. Als Anwältin habe ich erwartet dass sie den Frauen bei Briefen für Ämter etc. helfen soll. Denn Beamtensprache und rechtsverbindliche Briefe sind doch auch für sehr gebildete Menschen nicht immer ganz einfach zu verstehen - wenn es dann ggf nicht einmal die Muttersprache ist, ist das etwas, wo ich definitiv sehe dass Hilfen sinnvoll sind. Diese Art von Service habe ich tatsächlich auch schon in vielen Einrichtungen in Deutschland gesehen und habe erlebt wie gern diese für Briefe vom Sozialamt o,ä, in Anspruch genommen werden. Womit die Frauen Solène aber betrauen sind Briefe mit Autogrammbitten und sehr persönliche Schreiben an den eigenen Sohn den man auf der Flucht nicht mitnehmen konnte. Ich verstehe nicht, wofür die Damen für dieser Art Aufgaben einen "öffentlichen Schreiber" benötigen. Wären sie analphabeten vielleicht, aber die Mutter erzählt Solène ihre Geschichte, die dann hingeht und den Brief an den Sohn verfasst. Die Dame liest den Brief durch und befindet ihn für "gut". Ich weiss ja nicht ob ich hier irgendwie auf der Leitung stehe aber irgendwie kommt mir das seltsam und nicht richtig vor. Man hätte hier die Geschichten der Damen immer noch hervorheben können indem Solène sich mit den Schwierigkeiten auseinander setzt, die die Damen ggf. mit Behörden etc. haben. Und es wäre ggf. sogar wachrüttelnder gewesen als das Chaos was dieses Buch jetzt ist.

Denn die Damen im Palast der Frauen alle tragen ihre eigene Geschichte mit sich. Hier wurde viel Potential verschenkt indem die Geschichten kurz - meist in wörtlicher Rede der Frau, die es Solene erzählt - angerissen werden. Dann legen wir es aber beiseite und widmen uns dem nächsten Schicksal. Das Buch sagt mir wie ich mich fühlen soll indem Solene auf einmal sagt wie sie auf einmal begreift was Armut wirklich bedeutet. Das Buch sagt es mir aber nur und lässt es mich nicht selbst entdecken/fühlen. Das Buch hat sogar den gegenteiligen Effekt. Dadurch, dass die Schicksale nur "angerissen" werden und es dann zur nächsten geht sind wir nie emotional nah genug dran um mitzufühln - und stumpfen anstelle dessen ab.

Als letzten Punkt im Buch möchte ich noch kurz auf Blanche zu sprechen kommen. Auch hier sagt uns das Buch dass Blanche unfassbares möglich macht, Gelder zusammen bekommt, und das Projektmöglich macht. Wir begleiten es aber nie wirklich. Irgendwie sind viele Punkte nach wie vor ein Mysterium für mich, wie genau sie es geschafft hat, da wir immer wenn es zum Punkt kommen sollte in die Gegenwart springt. Das einzige was ich tatsächlich mitbekomme ist dass es ihre Verbindungen, Richtiger Platz zum richtigen Zeitpunkt und ein Quäntchen Glück waren die es möglich gemacht haben.

Alles in allem war das Buch einfach nicht ganz was ich erwartet habe. Vielleicht waren meine Erwartungen aber auch zu hoch.

Dieses Buch wir in meinem wrap up video auf meinem Youtube Channel erwähnt werden, welches am 17. März veröffentlicht wird.