Auch Männer können Frauenromane schreiben

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sago Avatar

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Dieser Roman war insofern für mich einmal ein echtes Novum, weil eigentlich alle Frauenromane, die ich bisher gelesen habe, vom Frauen geschrieben waren. Wobei ich mich nicht als ausgewiesene Frauenromankennerin einstufen würde. Dennoch hat der Autor Andrew O'Connor meinen Geschmack getroffen. Ich habe mich aufs Weiterlesen gefreut und das Buch nur sehr ungern aus der Hand gelegt. Der Roman spielt sich auf drei Zeitebenen ab. Er beginnt in der Gegenwart. Nico, von edler irischer Abstammung, soll sich damit abfinden, das seit Jahrhunderten in Familienbesitz befindliche Herrenhaus anlässlich seiner Scheidung veräußern zu müssen. Mit diesem Gedanken kann er sich zunächst gar nicht anfreunden. Die Geschichte springt zurück ins Jahr 1840 zum Bau besagten Herrenhauses. Lord Edward Armstrong lässt es anlässlich der Heirat mit seiner geliebten Anna errichten. Doch bald liegt ein Schatten über ihrem Glück. Anna bleibt kinderlos. Obwohl alles darauf hindeutet, dass Edward der unfruchtbare Teil des Paares ist, wagt sie nicht, ihn darauf anzusprechen. Ohne Kind aber wird das Erbe an Edwards intriganten Cousin Sinclair gehen. Anna gerät immer mehr unter Druck. Schließlich ringt sie sich dazu durch, eine Nacht mit ihrem Diener Séan zu verbringen, um Ehe und Erbe zu retten. Tatsächlich wird sie schwanger und bekommt einen Sohn. Obwohl Seán eine andere Stelle angenommen hat, erfährt er von dem Kind und erhebt Ansprüche darauf. Vergeblich versucht er sogar Anna zu überreden, mit ihm durchzubrennen. In ihrer Bedrängnis fingiert Anna einen Diebstahl, für den Seán die Schuld bekommt. Da Irland von der Kartoffelkrise heimgesucht wird, herrscht überall große Not, was den Diebstahl überzeugend wirken lässt. Später plagen sie schlimme Schuldgefühle, und sie versucht, ihn zu finden. Sie wird nie erfahren, was sich abgespielt hat. Seán hatte Edward mit der Wahrheit konfrontiert, und dieser den Diener in seiner Wut erschlagen.
Diese Zeitebene hat mich persönlich am meisten gefesselt.
Die Geschichte springt dann ins Jahr 1913 zur leichtlebigen Clara Charter, einer Tochter aus gutem, aber nicht reichem Hause. Die Männer liegen ihr zu Füßen, aber sie hat es auf den Armstrong-Nachfahren Pierce abgesehen, weil dieser so gar kein Interesse an ihr hat. Schließlich muss sie gedemütigt aufgeben und geht eine Verlobung mit einem anderen ein. Dabei handelt es sich ausgerechnet um einen Mann, von dem sich Pierce in seiner Jugend gedemütigt fühlte. Nur aus Rache heiratet er Clara nun doch. Die Ehe wird entsprechend unglücklich. Pierce zieht bald in den ersten Weltkrieg und macht Militärkarriere. Irgendwann begreift Clara, dass er sie nie geliebt hat, und geht ein Verhältnis mit einem Maler ein. Doch Pierce will den Skandal vermeiden und lässt ihren Geliebten unter einem Vorwand verhaften. Obendrein schiebt er Clara dafür die Schuld zu und zerstört die Beziehung. Als Irland seine Unabhängigkeit erhät, muss Pierce schließlich fliehen, da er die Briten unterstützte. Clara weigert sich, ihn zu begleiten, doch die von Rache erfüllte Bevölkerung vertreibt sie aus Amstrong House, indem sie es in Brand setzt. Lange Zeit fragt sich der Leser, was aus Clara wurde.
Nun kehrt die Story in die Gegenwart zurück. Nico hat sich mit dem Verkauf von Armstrong House abgefunden. Die Käufer schätzt er nicht besonders. Es sind für ihn typische Neureiche, der Mann, Tony, sehr erfolgreich mit Shoppingcentern, sie eine Schauspielerin, Kate. Zur Besichtigung reisen sie sogar mit einem Helikopter an. Trotz seiner Abneigung entwickelt sich zwischen Kate und Nico eine Verliebtheit, die beide nicht wahrhaben wollen. Ausgerechnet ihn hat Kate als Architekten engagiert, um das Haus seiner Vorfahren zu restaurieren. Als Tony von der Zuneigung der beiden erfährt, rast der in Wut mit seiner Yacht davon, und es kommt zu einem tödlichen Unfall. Einige Zeit später werden Kate und Nico nun doch ein Paar, und das Haus der Lady Armstrong bleibt auf diese Weise wider Erwarten in Familienbesitz.
Da Kate Briefe von Clara gefunden hat, macht sie sich fasziniert auf die Suche nach deren Schicksal. So erfährt zwar nicht Kate, aber der Leser, dass Clara von ihrem Geliebten eine Tochter bekam und so doch noch ein kleines Glück gefunden hat.
Das Buch hat mich wirklich sehr gut unterhalten. Einziger Minuspunkt waren für mich die sehr kurzen Kapitel, zum Teil nur 1 1/2 Seiten. Das hat den Lesefluss etwas gestört. Mein Favoritin war wie gesagt die zeitlich am weitesten entfernt liegende Geschichte. Die anderen Teile waren nicht schlechter, aber Clara und Kate wurden als recht leichtlebige bzw. oberflächliche Frauen dargestellt, sie waren mr nicht so sympathisch wie Anna.